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Werte
Der
Begriff „Werte“ ist zurzeit
in aller Munde. Was individuell bei
Verwendung dieses Begriffes gemeint
ist, ist auf Grund der verschiedenen
„angepassten“ Interpretationen
nicht immer nachvollziehbar. Dazu ist
jedoch festzustellen, dass derart komplizierten
Begriffen im weiteren Sinne nur Hypothesen
und Theorien zugrunde liegen.
Deshalb ist mitunter auch festzustellen,
dass, um bestimmte Ziele zu erreichen,
die Deutung dieses Begriffes bzw. die
Bedingungen des gesamten dazugehörigen
Umfeldes demagogisch nivelliert werden.
Der
Werdegang zum Produkt bzw. Effekt einer
Wertefindungsentwicklung wächst
somit immer seltener aus einem individuellen
Bedürfnissen bzw. Verlangen von
Menschen sondern wird leider oft generalstabsmäßig
geplant um dann politisch Wirksam um-
und eingesetzt werden zu können.
Solche
Winkelzüge haben in einer ehrlichen
Politik nichts verloren! Die sozialdemokratische
Bewegung, dies sei an dieser Stelle
festgestellt, hatte von je her klar
definierte Richtlinien. Diese sozialdemokratischen
Grundwerte können zum Teil hier
oder auf der Website der SPÖ
>>> auch jederzeit nachgelesen
werden.
Dem interessierten Leser wollen wir
Ergänzend zum Thema „Werte“
keine philosophischen Hochseilakte präsentieren
sondern eine Reihe von Begriffsdefinitionen
und Erläuterungen sowie einigen
sich mit dieser Frage auseinandersetzenden
Zeitungsartikeln aus Politik in der
Welt, die wir hier zusammen getragen
haben, als Hilfeleistung zur Wertefindung
anbieten.
Christian
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Die
Grundsätze:
II.2. Unseren Werten verpflichtetes
Handeln
II.2.1.
Die Würde des Menschen steht im
Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik,
daher treten wir entschlossen für
die Wahrung der Menschenrechte ein und
stehen für eine Politik, die die
Menschen in die Lage versetzt, ihr Leben
selbstbestimmt und mündig zu gestalten,
und wollen gesellschaftliche Bedingungen
schaffen, die diesem Prinzip entsprechen.
Wir treten daher einer Politik entgegen,
die Menschen oder Menschengruppen benutzt
oder missbraucht, und werden eine Wirtschaftsordnung,
die Menschen nur als Kosten- und Produktionsfaktor
betrachtet, verändern und nach
sozialdemokratischen Grundsätzen
gestalten.
II.2.2.
Für uns Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten ist die Demokratie
jene Form des Zusammenlebens der Menschen,
in der die Prinzipien der Gleichheit
und der Freiheit am besten verwirklicht
werden können. Wir treten daher
dafür ein, dass alle Menschen das
Recht darauf haben, bei Entscheidungen,
die sie betreffen, mitzubestimmen und
dass das Prinzip der Demokratie in allen
gesellschaftlichen Bereichen verwirklicht
wird.
Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus und Antisemitismus, die von
nationalistischen und populistischen
Kräften geschürt oder instrumentalisiert
werden, bedrohen die Würde und
Sicherheit der Menschen und sind daher
eine Gefahr für das friedliche
und demokratische Zusammenleben. Aufgrund
unserer schmerzlichen historischen Erfahrungen
sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
konsequente Antifaschisten, setzen uns
für die Erfüllung des antifaschistischen
Auftrags der österreichischen Bundesverfassung
und damit für die entschiedene
Bekämpfung aller neonazistischen
und rassistischen Aktivitäten ein.
Darüber hinaus treten wir allen
menschenverachtenden, die Menschenrechte
missachtenden autoritären Kräften
ebenso entgegen wie jeder Form des Fundamentalismus,
mag dieser politisch, religiös
oder anders motiviert sein.
Sozialdemokratie und
Religion sind keine Gegensätze.
Wir bekennen uns zum Recht auf freie
Religionsausübung. Jedoch darf
Religion nicht zu politischen Zwecken
missbraucht werden, ebenso wie Politik
nicht für religiöse Ziele
instrumentalisiert werden darf.
II.2.3.
In einem sozialdemokratischen Konzept
der Wirtschaft steht der Mensch im Mittelpunkt.
Es hat Wohlstand für alle und damit
eine gerechte Verteilung der Arbeit,
der Güter und Dienstleistungen
sowie des Einkommens zum Ziel. Märkte
- ihre Dynamik und Innovationsfähigkeit
- leisten innerhalb definierter Rahmenbedingungen
und bei fairem Wettbewerb einen wichtigen
Beitrag zur Förderung des Wohlstands
durch ihren Zwang zu effizienter und
preiswerter Erbringung von Leistungen
und Gütern im Interesse der Verbraucherinnen
und Verbraucher. Die Kräfte des
Marktes allein sorgen jedoch nicht für
eine gerechte Verteilung. Ungezügelte
Märkte lassen vielmehr gefährliche
Kapitalkonzentration und neue Monopole
entstehen. Deshalb muss dem Markt ein
Rahmen gegeben und dort korrigierend
eingegriffen werden, wo sich die Kräfte
des Marktes gegen Mensch und Umwelt
richten.
II.2.4.
Arbeit - in einem umfassenden Sinn verstanden
- ist von zentraler Bedeutung für
das menschliche Leben sowie für
die Identität und das Selbstwertgefühl
des Menschen; sie sichert die soziale
und wirtschaftliche Basis der Gesellschaft.
Arbeit muss gerecht verteilt werden.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
treten daher für das Recht auf
Erwerbsarbeit für alle ein.
Wir setzen uns für
die Sicherung und Schaffung von Erwerbsarbeit
sowie für die Umgestaltung der
Arbeitsprozesse im Sinne befriedigender,
dauerhaft existenzsichernder und eigenverantwortlicher
Arbeit im sozialen Zusammenhang ein.
Uns geht es nicht um den Unterschied
zwischen selbständiger und unselbständiger
Arbeit, sondern darum, dass Einkommen
gerecht verteilt und Kapital- und Vermögenseinkommen
nicht gegenüber Arbeitseinkommen
begünstigt sind.
II.2.5.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
bekennen uns zum Modell der österreichischen
Sozialpartnerschaft, zum Ausbau der
europäischen Sozialpartnerschaft
und setzen uns für eine wirksame
Vertretung der Interessen der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer durch starke und überparteiliche
Gewerkschaften ein, die durch Betriebsrätinnen
und Betriebsräte (Europa-Betriebsräte),
Personalvertreterinnen und Personalvertreter
sowie Jugendvertauensrätinnen und
Jugendvertrauensräte Mitbestimmung
sicherstellen.
Wir treten dafür
ein, dass eine gleiche und faire Gestaltung
der Arbeits- und Sozialrechtsverhältnisse
an die Stelle der ungleichen Behandlung
der verschiedenen Gruppen unselbständig
Beschäftigter tritt, die längst
nicht mehr zeitgemäß ist.
Für alle Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer muss es daher ein gleichwertiges
Arbeits- und Sozialrecht geben. Dabei
ist die legale, sozialversicherte Arbeit
ein wesentliches Grundelement. Um eine
faire arbeits- und sozialrechtliche
Ordnung am Arbeitsplatz zu erhalten,
wird von uns jede Form ausbeuterischer
Beschäftigung, insbesondere auch
organisierte illegale Beschäftigung
bekämpft.
II.2.6.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
treten für integrative Politik
ein, die den solidarischen Zusammenhalt
der Gesellschaft gewährleistet
und der Benachteiligung Einzelner und
sozialer Gruppen entgegenwirkt.
Wir wollen die volle
Gleichstellung von Frauen und Männern
in allen Lebensphasen und allen Lebensbereichen
verwirklichen. Wir sind der Überzeugung,
dass eine gerechte Gesellschaft vom
kreativen Potential von Frauen und Männern,
von der Mitwirkung am demokratischen
Prozess aller Bürgerinnen und Bürger
und von einem partnerschaftlichen und
gleichberechtigten Zusammenleben der
Geschlechter geprägt sein muss.
Wir setzen uns für
die Solidarität der Generationen
ein und unterstützen deshalb Modelle
und Projekte, die neben der Sicherung
der materiellen Existenz besonderes
Augenmerk auf unterschiedliche Lebensbedürfnisse
legen und den Erfahrungsaustausch zwischen
den Generationen fördern.
Wir setzen uns für
Minderheiten und deren Recht auf volle
Integration in die Gesellschaft bei
gleichzeitiger Wahrung ihrer Identität
ein. Wir gehen davon aus, dass alle
Menschen ein Recht auf ihre Heimat,
ihr Volkstum, ihre Sprache und ihre
Kultur haben.
II.2.7.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
verstehen uns auch als Kulturbewegung.
Kultur ist Ausdruck der Auseinandersetzung
des Menschen mit seinen Lebensbedingungen,
mit seinen Mitmenschen, mit seinen Erfahrungen
und Empfindungen, Ängsten und Hoffnungen
und somit ein wesentlicher Bestandteil
des menschlichen und gesellschaftlichen
Selbstverständnisses.
II.2.8.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
wissen, dass Politik vom Engagement
aktiver Bürgerinnen und Bürger
lebt, insbesondere auf Gemeinde-, Bezirks-
und Landesebene. Politik im Sinne unserer
Grundwerte kann aber nur dann voll wirksam
werden, wenn es auch gelingt, sowohl
auf nationaler Ebene als auch in der
Europäischen Union und darüber
hinaus auf internationaler Ebene in
solidarischem Zusammenwirken für
eine gerechte Welt zu arbeiten. Wir
arbeiten daher aktiv in der Sozialdemokratischen
Partei Europas und in der Sozialistischen
Internationale mit und unterstützen
die Aufwertung und Stärkung dieser
Organisationen.
II.2.9.
Parteien sind ein unverzichtbarer Bestandteil
unserer Demokratie. Unser Einsatz für
eine gerechte Welt erfolgt im Bewusstsein
solidarischen Denkens, Handelns und
Veränderns im Rahmen der sozialdemokratischen
Partei. Sie ist eine demokratisch aufgebaute
Organisation, eine solidarische Interessenvertretung,
eine Plattform der Diskussion und der
zielgerichteten Arbeit sowie eine Gemeinschaft,
in der die Gemeinsamkeit der Ziele und
zukunftsorientierten politischen Handelns
zu erleben ist.
aus der Website der
SPÖ http://www.spoe.at
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Die
Werte der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert
Caspar Einem, Präsident
des Bundes Sozialdemokratischer AkademikerInnen
(BSA) fordert eine stärkere Berücksichtigung
der Werte in der Politik. Der BSA hat
nun zur Wertedebatte die Publikation
"Was ist heute links? Werte der
Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert"
herausgegeben.
Caspar Einem: "Werte
haben nicht nur eine zentrale Funktion
für die Politik der Sozialdemokratie,
sondern auch für die Steuerung
der Politik auf europäischer Ebene".
Auch für Alexander Foggensteiner,
einem der Autoren des BSA-Werteheftes,
geht es darum, sich von der Politik
anderer Parteien abzugrenzen. "Auch
diese haben Werte, wie den Neoliberalismus
und sein Menschenbild. Damit stehen
sie in weiten Bereichen im Gegensatz
zu den Werten der Sozialdemokratie".
"Besonders deutlich zeigt sich
das bei der Pensionsreform, der Arbeitslosigkeit
und der Steuerreform", meint Foggensteiner.
Die
Leitwerte der Sozialdemokratie im 21.
Jahrhundert sind demnach:
- Freiheit: Es muss der Rahmen geschaffen
werden, um dem Wollen und Handeln
der Menschen bestmöglichen
Ausdruck zu verleihen. In diesem
Sinn sind staatliche Einrichtungen
Institutionen der Freiheit.
- Gleichheit: Das Anliegen der
Sozialdemokratie ist die höchstmögliche
Gleichheit unter den Menschen. Daher
glauben Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
an die Entwicklung und Emanzipation
der Menschen.
- Solidarität: Die Sozialdemokratie
steht für einen sozialen partnerschaftlichen
Umgang zwischen Männer und
Frauen. Solidarität ist das
Überwinden von Egoismus. Die
SPÖ muss wieder zu ihren Wurzeln
zurückfinden und das ist vor
allem das Soziale. Es muss Modernisierung
der Gesellschaft in Österreich
mit sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit
verknüpft werden.
- Respekt: Die sozialdemokratischen
Grundpositionen sind nur durchsetzbar,
wenn die Achtung und Würde
jedes Menschen gewahrt wird. Das
bedingt Wertschätzung im politischen
Alltag und in der Gesellschaft.
- Mut: Politischer Mut ist eine
Notwendigkeit, um sozialdemokratische
Werte gegen Widerstand durchzusetzen.
Zivilcourage für eine gerechtere,
sozialdemokratische Gesellschaft
schlägt Egoismus.
Der rote Faden jeglichen
Engagements der Sozialdemokratie müsse
lauten: Der Mensch kommt vor dem Markt.
(Einem)
aus der Website der
SPÖ http://www.spoe.at/www/page_8966.html
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Unsere
Werte
Was macht die Sozialdemokratie in ihrem
Kern aus? Was wollen Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten mit ihrer Politik
erreichen? Welche politischen Grundsätze
vertreten wir Mitglieder der sozialdemokratischen
Partei Wiens?
Also
- eines ganz wichtig: Wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten stehen auf sozialen
Ausgleich und Gerechtigkeit. Wir sind
für die Freiheit, aber wir wissen
auch, dass der Preis der Freiheit soziale
Gegensätze und Unterschiede sind.
Sie wollen wir aber so gering wie möglich
halten.
Noch
etwas ist uns ganz wichtig: Solidarität!
Denn eine menschliche Gesellschaft kann
es nur geben, wenn wir füreinander
einstehen, füreinander da sind.
Solidarität ist gemeinsam wahrgenommene
gegenseitige Verantwortung. Eine Verantwortung,
die wir auch für das Wohl zukünftiger
Generationen haben. Gegenseitige soziale
Verantwortung und Sorge für die
Zukunft bedürfen der Solidarität
ebenso, wie Freiheit und sozialer Gerechtigkeit.
Dafür stehen wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten Wiens!
aus
der Website SPÖ Wien
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Notiz
von Karl Seitz im Mai 1934 als er als
Häftling im Landesgericht war
1918 war nicht erkennbar,
dass man die Werte der Sozialdemokratie
im schockartig geschrumpften Österreich
generell nicht würde durchsetzen
können. Aber schon um 1925 war
ersichtlich, dass die Erfolgsmethoden
des "Roten Wien" für
den größten Teil des Bundesgebietes
unanwendbar waren. Die Stadt Wien, nunmehr
mit einer Landeshoheit ausgestattet,
war keine "Avantgarde" des
Sozialismus in Österreich, sondern
ein "Staat im Staate", wie
Wolfgang Maderthaner es genannt hat.
Der "Rathaussozialismus" hatte
ein System geschaffen: die Welt der
Gemeindebauten vor 1934 • ein
Netzwerk von politischen und kulturellen
Organisationen, in das der einzelne
eingewoben war. In diesem, für
die damalige Zeit erstaunlichen Wohlfahrtssystem,
war es nicht üblich, Kompetenzen
nach unten abzugeben, sondern das Gegenteil
geschah: Stadträte wurden zu "Rathausherren"
von großer Professionalität.
Karl Seitz hat diesen Stil des sachlichen
Bürokraten geprägt durch seine
gesetzestreue und staatsmännisch
distanzierte Art. Die christlich-soziale
Bundesregierung sah die Erfolge des
"Roten Wien" mit scheelen
Augen (wobei sie selber den allgemeinen
Wirtschaftsaufschwung für eine
Modernisierung Österreichs nicht
nutzte). So erklärt sich jene Rede
von Ignaz Seipel am 12. März 1924,
die auch die Hetze gegen den Schriftsteller
Hugo Bettauer "salonfähig"
machte, als ein Versuch, die Wiener
Kommunalverwaltung mit Hilfe kleinster
Angriffspunkte zu skandalisieren.
Im Mai 1934 notierte
er im Wiener Landesgericht ein paar
Zeilen, die er als Häftling Nummer
269 gleichsam an sich selber schrieb:
"Wie klein und gering ist die Sorge
um Dich gegen die Sorge um die Menschen
in dieser Zeit. Aber aus diesen Betrachtungen
entsteht sofort Kraft und Wille . .
. Die Menschen werden zu Menschen werden".
Das war nicht der zeittypische Idealismus
des blinden Opfers, sondern der des
Sozialisten aus der Pionierzeit, der
auch angesichts des weltweiten Faschismus
den Gang der Geschichte auf seiner Seite
wähnte.
Karl Seitz
Auszüge aus
http://www.wienerzeitung.at
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Wertbegriff:
Begriffe sind Interpretationen
Begriffe heißen „Begriffe",
weil sie dazu dienen, Sachverhalte sprachlich-gedanklich
zu „begreifen", so dass wir
über sie nachdenken, sprechen und
uns verständigen können.
Deswegen sind sie weder
„gleich gültig" noch
beliebig, sondern Interpretationen oder
- mit einem anderen Wort - Definitionen,
„Abgrenzungen". Das gilt
insbesondere für Begriffe mit grundlegender
Bedeutung, wie es die Werte sind.
Werte bestehen aus einem Bündel
von Teilwerten bzw. Teiltugenden.
Wird von Werten bzw.
Tugenden gesprochen, so ist mit ihnen
eine Vielzahl unterschiedlicher, oft
gegensätzlicher Assoziationen verbunden,
die aus dem persönlichen Erfahrungshintergrund
sowie dem subjektiven Verständnis
des Einzelnen herrühren. Das gilt
für den Sprechenden ebenso wie
für den Hörenden und ist immer
wieder Quelle heftigen Streites oder
bitterer Missverständnisse.
Er bildet sich aus
den stillschweigend mitgedachten und
jeweils für gültig gehaltenen
individuellen Interpretationen, die
in vielen Fällen auf Um- und Neudeutungen
hinauslaufen. (Hans REINER)
Werte Definition kurz:
Werte sind Richtlinien
oder Zielvorstellungen in einer Gesellschaft.
Zum Beispiel waren in der biblischen
Gesellschaft (des alten Israel) die
Zehn Gebote der Versuch einer Durchsetzung
von Werten. Werte sind damit Verhaltensziele,
von denen Verhaltensanweisungen (Normen)
abgeleitet werden. "Du sollst nicht
töten!" (auch dich selbst
nicht) ist eine Verhaltensanweisung
oder eine Norm, die davon abgeleitet
ist, dass das Leben etwas Wertvolles
ist. In einem Krieg verschiebt sich
diese Wertvorstellung zugunsten des
Wertes " Heimat" (Vaterland,
Nation). Entsprechend verändern
sich die Verhaltensanweisungen: Nun
soll man töten (vernichten) und
auch sein eigenes Leben opfern.
Die in einer Gesellschaft
entwickelten Werte bilden zusammen ihr
Wertsystem. Jede Kultur hat ihre eigenen
Wertvorstellungen und somit ihr eigenes
Wertsystem. In unserer Kultur stehen
die Werte " Ordnung", "
Sicherheit" und "Privateigentum"
sehr hoch.
Lexikon der Grundbegriffe
http://www.sociologicus.de
Wert / Tugend
Ursprünglich wurde das Wort ausschließlich
im ökonomischen Sinn als eines
Dings verwendet. In der Philosophie
seit Ende des 19. Jh. durch H. Lotze,
er verwendet den Wertbegriff in Verbindung
mit dem Begriff der Geltung.
Davor sprach man von Tugenden. Das Wort
„Werte“ übernahm die
Bedeutung des Wortes „Tugend“
und Tugend wurde auf die Disziplinierung
der Sexualität verkürzt. Im
ethischen Sinne die Sittlichkeit, im
konventionellen die Sittenreinheit der
Lebensführung.
(Eberhard Sraub 2000)
Tugenden seien keine Werte - und umgekehrt.
Tugenden würden gelebt, geübt,
ausgeübt.
Tugendlehre
Untersucht die Grundhaltungen, in denen
sich die sittliche Vollkommenheit des
Menschen manifestiert.
Aristoteles versteht
die ethische Tugend als Gleichgewichtszustand
zwischen Übertreibung und Unterlassung.
Die Kardinaltugenden
Platons gesamtes Philosophieren ist
eine intensive und umfassende Auseinandersetzung
mit den sittlichen Leitlinien menschlichen
Handelns. Als Kardinaltugenden nennt
er
Gerechtigkeit,
Klugheit,
Tapferkeit,
Maß.
Tugenden im
alten Rom
Religiös und gesellschaftlich orientierte
Wertvorstellungen wurden im alten Rom
schon sehr früh entwickelt und
waren unbedingt zu befolgen.
Auch als die Römer die griechische
Philosophie und ihre Lehre von den Kardinaltugenden
kennen gelernt hatten, blieben die „altrömischen"
fundierten und zugleich ausgeprägten
Wertvorstellungen wirkungsmächtig
und beeinflussten das nachrömisch-europäische
Denken.
Die Christliche
Ethik ergänzte die Kardinaltugenden
der Antike um die Dreiheit von
Glaube,
Hoffnung und
Liebe – (Nächstenliebe)
In der frühen
Neuzeit (17. Jahrhundert) waren
es
Fleiß,
Gehorsam,
Gerechtigkeit,
Demut.
Maximen Elends
von August Hermann Francke
Standhaftigkeit,
Ordnung,
Arbeitsamkeit,
Sparsamkeit und Bescheidenheit,
Pflichtgefühl und Gehorsam
Tugendhaftigkeit
war - im weiteren Sinne des Wortes -
Gottesdienst.
Die Rangordnung
der Tugenden (Josef Pieper)
Die Klugheit - als das Insgesamt menschlichen
Erkenntnisvermögens - ist Ursache,
Wurzel, „Gebärerin",
Maß, Richtschnur aller Tugenden.
Denn das Richtige kann nur tun, wer
die Wirklichkeit kennt. Sie ist somit
die Ursache dessen, dass die übrigen
Tugenden Tugenden sind.
Die Klugheit ist
der Inbegriff sittlicher Mündigkeit
und Freiheit.
Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit
ist Grausamkeit.
Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist
ein Hebel des Bösen.
Ohne Klugheit und Gerechtigkeit gibt
es keine Tapferkeit, denn nur wer
klug und gerecht ist, kann auch tapfer
sein.
Maß hält im Menschen wahrend
und wehrend Ordnung; es schafft dadurch
die Voraussetzung dafür, dass
der Mensch das eigentlich Gute zu
verwirklichen vermag und sich auf
sein eigentliches Ziel hinbewegen
kann.
Bezugspunkt
der Kardinaltugenden
Die Idee des Guten ist der Bezugspunkt
aller Aussagen, die Platon zu Fragen
der Ethik macht. Sie ist der Urgrund
alles sittlichen Handelns. Maßstäbe
menschlichen Handelns sind metaphysisch
begründet, naturrechtlich vorgegeben
oder aber gesellschaftliche gesetzt.
„ ! “
Wenn es uns auch immer wieder misslingt,
den großen Ideen der Ethik gerecht
zu werden, und wir immer wieder feststellen,
dass wir weit von ihrer Realisierung
entfernt sind, so bleiben sie doch notwendig
und hilfreich. Der Seefahrer erreicht
den Polarstern auch nicht. Aber er braucht
ihn, um die Richtung zu halten.
Wert
Beziehung die zwischen einem Gegenstand
und einem Maßstab durch den wertenden
Menschen hergestellt wird.
Lehre von den
Werten
Wertphilosophie, Axiologie, Timologie,
Werttheorie oder Wertlehre
Werturteil
eine Bewertung ausdrückendes Urteil
Wertrelativismus
Die Ansicht, die den Werten nur relative
Geltung zuschreibt, d. h. nur für
einen bestimmten Menschen oder für
eine bestimmte Rasse oder für eine
bestimmte Zeit.
Werte, die unabhängig von all diesen
Sonderbedingungen oder absolut gelten,
gibt es danach nicht.
Wertpsychologie
Der Zweig der Psychologie, in dem die
seelischen Vorgänge bei Wertungen
untersucht werden.
Wertgefühl
Das unmittelbare Bewusstwerden der Werte,
die sich zunächst im Gefühl
durch Lieben und gefühlsmäßiges
Vorziehen des Wertvoll, durch Hassen
und Verabscheuen des Wertwidrigen ankündigen,
ehe ihr Wesen geistig erfasst wird.
Absolutheit der Werte
Werte können wegen der Trennung
vom Sein nicht vom Verstand erkannt
werden, sondern nur durch intentionales
Fühlen erfasst werden. Durch ihre
Unabhängigkeit vom Sein gesichert,
bilden die Werte ein Reich materialer
Qualitäten.
Wertblindheit
Das Fehlen des Gefühls für
bestimmt Werte.
Wertantinomie
ein Widerstreit zwischen zwei Werten,
der es unmöglich macht beide zugleich
zu verwirklichen.
Wertschätzungen
(Nietzsche)
Nietzsche verlangt und versucht eine
Umwertung aller Werte und eine Rangordnung
der Werte.
Den höchsten Wert verkörpert
der große Mensch. (Uwe Wiedemann)
In der Wertschätzung drückt
sich der Wille zur Macht aus. Die physiologischen
Forderungen zur Erhaltung einer bestimmten
Art von Leben.
Wertnihilismus
Werturteile sind Ausdruck von Gefühlszuständen
die Sinnvollerweise nicht als wahr oder
falsch bezeichnet werden.
Subjektive
Wertethik
Ethische Theorien, die die subjektiven
Werte des Akteurs als zentrales ethisches
Kriterium heranziehen. Solche Theorien
sind mit einer anthropozentrischen Position
verbunden, wenn sie als Akteur den Mensch
ansehen. Dabei können sich die
Werte z. B. in einer Naturästhethik
auf die nichtmenschliche Welt beziehen,
so dass eine Abschwächung der Anthorpozentrik
möglich ist. Denkbar ist freilich
auch, dass z. B. Tiere als Akteure und
Wertträger betrachtet werden und
sich so eine pathozentrische Position
ergibt.
Wertetyrannei
Bewusstes, vorsätzliches oder willkürliches
umwerten, abwerten, entwerten, aufwerten
oder allgemeingültig interpretieren,
bestimmen, setzen von Werten im politischen
Feld.
Wertewandel
Veränderung der Orientierungen,
durch verändern der persönlichen
Bedürfnisse (neue Technologien,
Wirtschaftsweisen, Herrschaftssysteme,
Lebensstile und Konsummöglichkeiten)
Interessen können die Werthaltung
beeinflussen. Infragestellung wenn plötzlich
grundlegendere Werte wie Leben und Überleben
bedroht werden.
Ursprung der
Werte
"In einem `Wertsystem' spiegelt
sich die gesamte Sozialisation eines
Menschen wider, vor allem die Sozialisation
in den frühen Jahren" (Inglehart,
1989, 461).
Bezugspunkte
Traditionelle Identitätszuweisungen
durch Religion, Klassenzugehörigkeit,
Partei etc. haben sich verloren und
neue, klare Muster sind (noch) keine
ersichtlich. Trotzdem strebt der Mensch
nach einer Orientierung, er braucht
eine klare Vorstellung von sich selbst.
Werte
Die Bedeutungsvielfalt ist sehr hoch
und es wurden viele unterschiedliche
Bedeutungen geprägt. Grundsätzlich
erfolgt eine Teilung in objektive, subjektive,
absolute und relative Werte.
Werte hängen von verschiedenen
Faktoren ab, wie Bildung, Erfahrung,
Status, Normen etc.
Werte werden aus vorgegebenen Mustern
übernommen bzw. dauernd verändert.
Werte bezeichnen einen erwünschten
Endzustand und können dem Streben
als Richtschnur dienen.
Werte bilden allgemeine Leitlinien für
zweckgerichtetes Handeln und leiten
so das menschliche Handeln.
Moral und Ökonomie: moralische
und pekuniäre Werte existieren
nicht unabhängig voneinander.
Ohne Werte wäre der Mensch orientierungslos
und entsprechend handlungsunfähig.
Je nach Kultur finden sich auch unterschiedliche
Wertsysteme.
Unterschiedliche Wertsysteme zeichnen
sich in erster Linie durch unterschiedliche
Gewichtungen von positiven Werten aus.
Positive Werte sind stark emotional
besetzt.
Neutrale positive Werte sind Werte,
die eine Person nicht vertritt und denen
sie gleichgültig gegenüber
steht.
Der Wertediskurs hat oft eine moralische
Oberflächen- und eine amoralische
Tiefenbedeutung.
Das Bekenntnis zu bestimmten
Werten hat immer auch eine Signalfunktion,
um eigene Positionen abzustecken und
soziale Zugehörigkeiten anzudeuten.
Die Betonung konkreter Werte dient der
Markierung von sozialen Identitäten.
Neue Soziale Bewegungen sind nicht nur
ein Ausdruck äußerer Veränderungen.
Der Mensch ist bestrebt, eine Harmonie
- Konsistenz und Kongruenz - zwischen
seinen Meinungen, Kenntnissen und Wertvorstellungen
herzustellen.
Enttraditionalisierung:
Überlieferte und sozialisierte
Basisselbstverständlichkeiten -
wie soziale Klassen, Familienformen,
Berufe - bilden sich zurück und
von außen ist keine klare Orientierung
mehr vorgegeben. Der Fortschritt hat
alte Werte wegrationalisiert, ohne dass
es ihm gelang, eine überzeugende
Wegleitung für die Zukunft (und
Gegenwart) zu entwickeln.
Wertefindung:
Nachfolgend einige Aspekte die bei der
Wertefindung maßgeblich sein können:
Anstreben eines
externen Zieles,
mit Problemen auseinandersetzen,
der Drang (oder Zwang) nach Selbstverwirklichung,
geistiger Wandel,
wandelbares Ziel,
Identität stabilisieren,
individuelle Freiheiten,
einzelne individuelle Anreize,
Ideen- und Werthorizont erweitern,
gesellschaftliche Aufgaben,
neue `Risikoverteilung',
neue Bedürfnisse und Verantwortungen,
Bedürfnis nach sinnvoller und
integrierender Tätigkeit,
die Strukturen verändern,
Orientierungs-Sehnsucht = Aktivitätspotential,
aktive Teilnahme,
konkrete Aufgabe,
festen Ort in der Gesellschaft,
Unsicherheit Institutionen pauschalen
Abfindungen,
Individualisierung sozialer Ungleichheit,
Handeln
Als Handeln bezeichnen wir aktives Tun
oder auch Unterlassen. Es ist die Reaktion
auf ein Bedürfnis, das befriedigt
werden will. Durch Aktionen der Bewegungen,
zum Beispiel einem Protest, wird ein
Bezug zur äußeren Welt hergestellt.
Durch diesen gemeinsamen Fremdbezug
finden Leute zusammen, die so in ihrer
Werthaltung und Betrachtungsweise gegenseitige
Anerkennung und Bestätigung finden.
Eine gemeinsame Verbindung kann nur
über gemeinsame Objekte oder Symbole
gefunden werden.
Durch gemeinsamen Problembezug schafft
man sich eine gemeinsame Wertorientierung,
eine Identität (oder Ideologie),
die das eigene Handeln nach Außen
und vor sich selbst legitimiert.
Handlungen werden nicht nur um die Welt
zu verbessern vorgenommen, sondern um
eine `harmonische' Beziehung zwischen
sich und der Umwelt herzustellen.
Um aktiv zu werden reicht unter Umständen
auch wenn kein direkter Bezug zur eigenen
Lebenssituation, akuter persönlicher
Notstand, besteht, eine innere Überzeugung
oder eine Identifizierung mit gewissen
Werten.
Durch das Handeln `verändern' wir
die Welt und durch die Welt werden wir
geformt und beeinflusst.
Kollektives
Handeln
Der zentrale Nenner einer jeglichen
Bewegung ist kollektives Handeln. Das
besteht aber immer aus individuellem
Handeln welches sich nach individuellen
Interessen richtet.
Was kann Menschen zusammenbringen?
Grundbedürfnisse
wie Sicherheit, Wärme und Aufgehobenheit,
das Bedürfnis nach Gemeinschaft,
die Sehnsucht nach verbindenden Werten,
ein kollektives Bewusstsein,
die verbindende Idee,
die Motivation zur gemeinsamen Tätigkeit,
der Wunsch nach Integration in die
Gemeinschaft,
eine Bestätigung der persönlichen
Wertvorstellung und Identität,
die gemeinsame Idee einer besseren
Gesellschaft,
das gemeinsame Wirken,
das geteilte Schicksal,
gemeinsame Werte,
gemeinsames identifizierbares Anliegen,
traditionelle Pflicht,
Gemeinschaftsorientierungen,
oder ideologische Verbindungen.
Kollektiver
Akteur
Fühlt sich einem umfassenden Ganzen
der Bewegung zugehörig und verpflichtet.
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Die
Bedürfnispyramide nach Abraham
Maslow
Maslow bildete eine
5-stufige Pyramide aus den Bedürfnissen
des Menschen.
Die unterste und breiteste Stufe nehmen
die Grundbedürfnisse ein: Essen,
trinken, schlafen, Sexualität,
Wärme (Sexualität ist auf
dieser Stufe umstritten).
Darauf folgt die zweite
Stufe, das Sicherheitsbedürfnis,
Abgrenzung, Recht und Ordnung, Schutz.
Auf der dritten Stufe
sind Liebe, Zugehörigkeit zu einer
Gruppe, ganz allgemein soziale Bedürfnisse
angesiedelt.
Die vierte Stufe umfasst
Dinge wie Anerkennung, Ruhm, Aufmerksamkeit.
Die fünfte, letzte
und in der Pyramide auch kleinste Stufe
wird vom Bedürfnis nach Selbstverwirklichung
eingenommen.
Die
Stufenübergänge
Die menschliche Psyche hält sich
sehr eng an diese Stufen.
Erst wenn z.B. das Bedürfnis nach
Sicherheit zufrieden gestellt ist, kümmert
sich der Mensch um seine sozialen Bedürfnisse.
Wer dagegen Hunger hat, nimmt auch erhebliche
Sicherheitsrisiken in Kauf. Akute Bedürfnisse
auf jeder Stufe blenden die darüber
liegenden Stufen aus den Interessen
des Menschen einfach aus.
Die Interessenentwicklung des Menschen
erfolgt stufenweise. Dabei kann es auch
rückwärts gehen, manchmal
auch sehr schnell, wie Kriegs- und Katastrophenfälle
drastisch zeigen. Und natürlich
kann jemand, der hohe Schulden hat und
sich eigentlich um die unteren Stufen
kümmern sollte, durchaus noch ein
Cabrio auf Pump kaufen, solange er nicht
tatsächlich hungert oder in seinen
sozialen Kontakten dadurch Schaden nimmt.
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SELBST-VERWIRKLICHUNG
Individualität,
Güte, Gerechtigkeit Selbstlosigkeit
(anderen etwas geben)
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ICH - BEDÜRFNISSE
Anerkennung,
Geltung, Selbstachtung |
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SOZIALE BEDÜRFNISSE
Liebe,
Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit
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SICHERHEITSBEDÜRFNISSE
Materielle-,
berufliche-, Lebenssicherheit
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GRUNDBEDÜRFNISSE
Wasser,
Luft, Nahrung, Unterkunft, Schlaf
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Stereotyp:
Unter einem Stereotyp versteht man
ein subjektives Wahrscheinlichkeitsurteil
über das Bestehen einer Verbindung
zwischen einem Objekt und einem Attribut.
(Nach Stroebe 1984). Stereotype beziehen
sich meist auf soziale Gruppen bzw.
Personen aufgrund ihrer Zuordnung
zu solchen Gruppen.
Einstellung:
Unter einer Einstellung versteht man
die Tendenz, einen bestimmten Gegenstand
aufgrund von Meinungen oder Gefühlen
positiv oder negativ zu bewerten.
Einstellungen beinhalten Bewertungen.
Bewertungen
...
... sind in Gedanken abgespeicherte
und abrufbare Wissensstrukturen
und
enthalten affektive, kognitive und
konative Komponenten.
Affektiv:
Bewertung und emotionale Orientierung
auf Personen oder soziale Sachverhalte
Kognitiv:
Wahrnehmungen, Überzeugungen
und Erwartungen in Bezug auf Personen
oder soziale Sachverhalte
Konativ:
Verhaltensrelevanz beziehungsweise
Prädisposition zu einem bestimmten
Handeln (= Drei-Komponenten-Konzeption)
Vorurteil:
Vorurteile sind bestimmte Einstellungen,
die mit Bewertungen verbundene Überzeugungen,
Meinungen und Erwartungen über
Eigenschaften und Merkmale bestimmter
Personengruppen oder ihnen kategorisch
zugeordneter Personen enthalten und
daraus resultierende emotionale Reaktionen
und Verhaltensprädispositionen
nach sich ziehen.
Gruppenzugehörigkeit:
ist freiwillig. Die meisten Menschen
sind Mitglied mehrerer Gruppen. Man
unterscheidet informelle (zB Freundeskreis)
von formellen (zB Schulklasse) Gruppen.
Weltanschauungstypologie:
In seinem 1914 erschienenen Buch Lebensformen
entwickelt EDUARD SPRANGER (1882-1963),
ein in der geisteswissenschaftlichen
Tradition von WILHELM DILTHEY stehender
deutscher Psychologe, sechs an inhaltlichen
Gesichtspunkten orientierte Weltanschauungstypen
(je nach Wert- und Sinngehalt):
Religiöser
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
Ausrichtung auf das Überirdische
Theoretischer
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
Einsetzen des Verstandes, Forschen,
Erkennen, Denken
Politischer
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
Machtausübung und Beeinflussung
anderer
Ästhetischer
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
einfühlende Betrachtung von Schönheit,
Form, Harmonie
Sozialer
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
selbstlose Hingabe, Liebe und Sorge
um andere
Ökonomischer
Mensch:
Sinnerfüllung des Daseins durch
Streben nach Nutzbringendem, Praktischen,
Gewinn
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Wahl
der Werte
Wenn am 2. November die USA wählt,
geht es um viel mehr als die Entscheidung
zwischen Republikanern und Demokraten
- Kolumne von Antonella Mei-Pochtler
Noch
nie war das weltweite Interesse und
das persönliche Engagement der
Amerikaner so groß. Wenn am 2.
November die USA wählt, geht es
um viel mehr als die Entscheidung zwischen
Republikanern und Demokraten, dem elegant-kühlen
Kerry und dem "neugeborenen Christen"
Bush: Es geht um einen Glaubenskrieg
der Werte, dem ein großer Einfluss
auf die Weltgeschicke zugeschrieben
wird: Bleibt es beim "harten Kurs"
des amtierenden Präsidenten oder
kehren die USA zurück zu einer,
als "weich" verspotteten,
kooperativen Haltung innerhalb der Staatengemeinschaft?
Der Ausgang der Wahl wird mit darüber
entscheiden, welche Werte das wirtschaftliche
wie weltpolitische Klima bestimmen werden.
Nicht
nur in der Politik, auch in der Wirtschaft
ist "Hardball" derzeit die
Devise. Mit Verweis auf den harten Wettbewerb
werden Maßnahmen aggressiv durchgedrückt
und Konflikte ausgefochten: Streiks
bei Opel und VW, bei AUA und Bahn, verhärtete
Fronten bei der Bank Austria, und harsche
Töne auf allen Seiten - die Mitbestimmung
gehöre als "Irrtum der Geschichte"
abgeschafft, das konstruktive Miteinander,
in Österreich als Sozialpartnerschaft
erfolgreich, wird als "Konsenssoße"
diffamiert, die Entscheidungen erschwert.
Wahr ist: Gerade in der heutigen, politisch
wie wirtschaftlich hoch vernetzten Welt
leitet sich Stärke nicht mehr aus
Härte ab, sondern von der situativ
richtigen Wahl der besten Mittel - in
Henry Fords Worten: "Erfolg besteht
darin, dass man genau die Fähigkeiten
hat, die im Moment gefragt sind."
- "Hart"
ist - immer seltener - stark: Für
Rituale, Blockaden und endlose Debatten
ist in einer Welt, die schnelle, effektive
Entscheidungen erfordert, tatsächlich
kein Platz mehr. Das gilt für
den Kampf gegen Terror ebenso wie
für die von Kostendruck und Absatzkrisen
geplagte Wirtschaft. Hart muss man
beim Einfordern von Transparenz und
Leistung und bei der Analyse der Situation
sein - nicht aber bei der Umsetzung
von Lösungen. "Harte Manager"
wie Jack Welch beweisen: Die Kraft
muss in den gemeinsamen Kampf um zufriedene
Kunden und höhere Marktanteile
fließen - nicht in die Bewältigung
interner Widerstände.
-
"Soft"
ist - immer öfter - stark:
Wer gewinnen will, muss bereit sein,
mit aller Kraft bis zum Äußersten
zu kämpfen - und mit ganzem
Herzen. "Den Kopf herausfordern
und die Herzen gewinnen", so
die Managementdevise der Carly Fiorina.
Es genügt nicht, "harte"
Entscheidungen zu treffen - sie
müssen auch akzeptiert und
von anderen umgesetzt werden. Was
wiederum "soft skills"
- Zuhören, andere anerkennen,
Überzeugen - erfordert.
-
Komplexität braucht Vernetzung
- und Vernetzung Kooperation: Ob
Terrorbekämpfung, Rentenfalle
oder Bildungsmisere: komplexe Probleme
sind ohne eine Mischung aus Druck
und Unterstützung nicht zu
lösen. So auch die wettbewerbsfähige
Herstellung von komplexen Produkten:
hochvernetzte globale Liefer- und
Wertschöpfungsketten ersetzen
das monolithische "Einzelkämpfer"-Unternehmen.
Konkurrenten von gestern sind wertvolle
Kooperationspartner von morgen.
Starke Netzwerke basieren aber immer
auf Kooperation und Kompromissbereitschaft,
die nicht in Sieg und Niederlage
rechnen, sondern über Win-Win-Beziehungen
stabilisieren.
Wir können von Äsop lernen:
"Eine Eiche und ein Schilfrohr
stritten über ihre Stärke.
Als ein heftiger Sturm aufkam, beugte
und wiegte sich das Schilfrohr im Wind,
um nicht entwurzelt zu werden. Die Eiche
aber blieb aufrecht stehen und wurde
entwurzelt." Wer auch immer die
Werte-Wahl gewinnt, sollte dies beherzigen.
Quelle:
der Standard http://derstandard.at/?url=/?id=1841815%26_range=1
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AMERIKA
Wo
Werte Berge versetzen
Nach
dem überwältigenden Sieg George
Bushs fragen sich die amerikanischen
Demokraten, wie sie je wieder an die
Macht kommen können. Antwort: Selber
moralisieren
Von
Thomas Kleine-Brockhoff
Ein Techniker rückt die Dekoration
für das letzte Rededuell Bush/Kerry
zurecht. Nun will der Sieger die Welt
ordnen
Washington
Der
Kampf um den Wahlsieg 2008 beginnt für
die Demokraten mit der Fehleranalyse
2004. Wer Stanley Greenberg zuhört,
dem Hausdemoskopen des Kandidaten Kerry,
wird glauben, nicht viel sei falsch
gelaufen. Nie zuvor, sagt Greenberg,
hätten so viele Wähler einen
Demokraten gewählt. Die Entscheidung
sei »knapp« ausgefallen,
»sehr knapp«. So knapp,
dass »70000 Wähler«
in Ohio das Ergebnis auf den Kopf hätten
stellen können: »Dann berieten
wir jetzt nicht über die Niederlage,
sondern feierten den Sieg.« Nach
dieser Logik reicht beim nächsten
Mal eine minimale Veränderung –
ein charismatischer Kandidat oder eine
demografische Verschiebung –,
und schon sind die Demokraten wieder
dran.
Wäre
diese Analyse unter Demokraten keine
Minderheitenmeinung, so läge darin
der Keim der nächsten Niederlage:
Realitätsverweigerung statt Neuorientierung.
Das Wahlergebnis lässt sich nämlich
auch so beschreiben: Die Demokraten
waren einig wie selten, mobilisiert
wie nie, hatten mehr Geld als die Konkurrenz,
einen seriösen (wenn auch nicht
fehlerfreien) Kandidaten, einen verwundbaren
Präsidenten zum Widersacher –
und verloren trotzdem. Nicht »knapp«,
sondern mit 3,5 Millionen Stimmen Abstand.
Drei Viertel der Landfläche Amerikas
sind fest in republikanischer Hand.
In 23 Staaten waren die Demokraten niemals
konkurrenzfähig und lagen am Ende
bei höchstens 40 Prozent. George
Bush gewann sogar in den urdemokratischen
Ländereien des Mittleren Westens
dazu. Im Süden gibt es nicht einmal
mehr einen demokratischen Brückenkopf.
Dort wurde kein einziger Senatskandidat
gewählt. Die Demokraten, Minderheit
in beiden Parlamentskammern, sind quasi
zur Regionalpartei herabgesunken. Bush
gewann Mehrheiten unter weißen
Männern und Frauen, unter Protestanten
wie Katholiken, Verheirateten, Menschen
über 30, Wählern ohne College-Abschluss.
Er gewann 26 der 28 Staaten mit dem
niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen. Er legte
bei den Minderheiten zu, vor allem bei
Latinos. Sein Vorsprung unter Christen
und in der Fläche ist so gewaltig,
dass als Faustregel gelten kann: Land
hat über Stadt gesiegt, traditionelles
über modernes, moderat religiöses
über säkulares Amerika –
eine Umkehrung der westlichen Modernisierungsgeschichte
seit der Industrialisierung.
Es
gibt eine schlafende Mehrheit. Sie steht
rechts
Vor
vier Jahren flüchteten sich die
Demokraten in die Vorstellung, das Verfassungsgericht
habe ihnen im Florida-Disput den verdienten
Wahlsieg gestohlen. Diese Opferhaltung
erlaubte es ihnen, sich nicht reformieren
zu müssen. Sie würden 2004
nur die Basis besser mobilisieren müssen,
und der Wahlsieg falle ihnen zu. Die
Niederlage zerstört nun die Illusion,
es gebe eine schlafende linke Mehrheit
in Amerika. Wie sich zeigt, gibt es
eine schlafende Mehrheit. Doch die steht
rechts.
Wer
nicht John Kerry nahe steht und sich
an den Mythos von der »knappen
Niederlage« klammert, stellt sich
langsam dieser Einsicht. Die Konsequenzen
sind freilich umstritten. Die Parteirechte
will nach rechts, die Parteilinke nach
links. Deren Symbolfigur hat den Fraktionskampf
am Montag eröffnet. Howard Dean
meint: »Wir wünschen uns
den Sieg so sehr, dass wir vergessen,
wofür wir eigentlich stehen.«
Die Partei sei auf dem Weg »in
der Mitte zu weit gegangen«. Das
Land brauche nicht »zwei republikanische
Parteien«. Als Beweis gilt dem
Dean-Flügel die Strategie John
Kerrys. Erst als sich der Kandidat zum
Frontalangriff auf den Irak-Krieg entschlossen
hatte, sei das Rennen um die Präsidentschaft
spannend geworden. Daraus folgt: Anderssein
hilft, Ähnlichsein nicht.
Die
Demokraten zur Antikriegspartei zu erklären
führe auf geradem Weg ins Verderben,
meint der moderate Clinton-Flügel.
Die Partei werde auf Jahre unwählbar
– wie nach 1968, als sie sich
gegen den Vietnam-Krieg wandte. Leon
Panetta, Stabschef im Weißen Haus
unter Clinton, wähnt sich schon
nicht mehr »in der alten Partei«
des Falken Franklin D. Roosevelt, sondern
in jener »von Michael Moore und
Fahrenheit 9/11«.
Die
Clinton-Gruppe hat ihre eigene Erklärung
für die Niederlage. Will Marshall,
Geschäftsführer des Democratic
Leadership Council, erschien bei einer
Wahlanalyse-Sitzung mit der Parteizeitschrift
Blueprint unter dem Arm. Die Schlagzeile:
It’s the culture, stupid! Frei
übersetzt: Es ist die Wertefrage,
Idiot! Die Zeitschrift war vier Jahre
alt und erschien nach der Niederlage
von Al Gore. Schon damals glaubten die
Parteizentristen, ihr Mann habe zu elitär
gewirkt, um im Kernland anzukommen.
Die Partei erscheine als zu säkular.
Glaube, Familie und Tradition seien
ihr nicht wichtig, weshalb Landbevölkerung
und Unterschichten verloren gingen.
Vier Jahre später präsentiert
Marshall dieselbe Diagnose und zitiert
das Ergebnis der Umfrage aus den Wahllokalen:
Danach gingen ebenso viele Wähler
wegen »Wirtschaftspolitik«
oder »Terrorismus-Bekämpfung«
zur Wahl wie wegen »moralischer
Werte« (22 Prozent). Gut 80 Prozent
aus dieser Gruppe wählten Bush.
Dahinter verbirgt sich das unterschätzte
Thema dieser Wahl: die Homo-Ehe.
Elf
Bundesstaaten ließen darüber
abstimmen, ob den Landesverfassungen
das Verbot der gleichgeschlechtlichen
Ehe beigefügt werden sollte. Überall
wurde der Zusatz angenommen. Wo er zur
Abstimmung stand, stieg die Wahlbeteiligung.
Auch in Ohio. So fiel der wahlentscheidende
Staat an Bush, während der Nachbarstaat
Pennsylvania, obwohl demografisch ähnlich,
an Kerry ging. Dort stand kein Verfassungsplebiszit
auf dem Wahlzettel. Am Ende waren es
nicht, wie böswillige Interpretationen
vermuten lassen, evangelische Fundamentalisten,
die Bush den Sieg bescherten; vielmehr
Massen traditionsbewusster Ländler,
Protestanten wie Katholiken, die in
Bush einen »authentischen Vertreter«
erblickten und in Kerry »einen
Möchtegern«, wie National
Review-Redakteurin Kate O’Beirne
schreibt.
Die
Demokraten rätseln nun, wie sie
der Moralisierung von Politik begegnen
sollen. Parteizentrist Bruce Reed beruhigt:
»Wir können den kulturellen
Code knacken, weil wir es schon einmal
geschafft haben.« Gemeint ist
Bill Clintons Geschick, der Angst vor
Kriminalität und überbordendem
Sozialstaat durch Reformen die Spitze
zu nehmen. So gelang es, die Konterrevolution
gegen den Wertewandel der sechziger
Jahre zu bändigen. Nur kurzfristig,
wie sich nun zeigt.
Nach
Ansicht der Zentristen müsse man
den Republikanern jetzt das Monopol
auf god, guns and gays streitig machen,
also auf Gott, Knarren und Schwule.
»Werte, nicht Programme bewegen
Nationen«, schreibt Bruce Reed.
Die Demokraten müssten sich »wie
alle erfolgreichen Anführer von
Martin Luther King bis Bill Clinton«
wieder der »reichen Sprache des
Glaubens bedienen«. Die könne
»Berge versetzen«.
Ausgangspunkt
ist die Kritik am halbierten Moralbegriff
von George Bush. Er spreche von einer
»Kultur des Lebens« und
meine damit nur das Verbot der Abtreibung
sowie den Verzicht auf Staatsförderung
von Stammzellforschung. Die Demokraten
müssten aber darauf bestehen, schreibt
der Kolumnist E. J. Dionne, dass »Fragen
von Krieg und Frieden genauso zur ›Kultur
des Lebens‹ zählen«.
Die Republikaner hätten ihre traditiona-listischen
Positionen zu Religion, Familie und
Homo-Ehe zur »moralischen Politik«
verklärt. Aber Demokraten rechneten
genauso Fragen von Gleichberechtigung
und sozialer Gerechtigkeit dazu, meint
Dionne. In einer »ausdauernden
intellektuellen Anstrengung« müssten
sie die Definitionshoheit über
Fragen der Moral zurückgewinnen.
Nur
wer diese Botschaft glaubwürdig
vermitteln kann, dürfte eine Chance
haben, der nächste Präsidentschaftskandidat
zu werden. Das Anforderungsprofil reduziert
die Chancen von Hillary Clinton. Die
Partei wird sich so schnell nicht mehr
auf einen linksliberalen Establishment-Senator
aus dem Nordosten einlassen, nicht einmal
auf eine Frau. Umgekehrt ist John Edwards
trotz der Niederlage keineswegs aus
dem Rennen, weil er die weiche Sprache
des Südens und des Glaubens spricht
und das ländliche Amerika erreichen
kann.
Republikaner
wittern die Chance, die Demokraten tödlich
zu treffen
Bis
zur Nominierung muss die Partei ohne
Führungsfigur auskommen. Ihr wichtigster
Abgeordneter, Senatsfraktionschef Tom
Daschle, ist quasi einem politischen
Anschlag zum Opfer gefallen. Er galt
der Rechten als »Obstruktionist«,
weil er George Bush milden Widerstand
entgegensetzte. Deshalb haben die Republikaner
keine Mühe, kein Geld und keine
Denunziation gescheut, seine Wiederwahl
in South Dakota zu torpedieren. Über
dessen »Schicksal«, schreibt
der ultrarechte Newt Gingrich am Dienstag
in der Washington Post, würden
»demokratische Senatoren«
nun »nachzudenken haben«.
Soll heißen: Im Land der konservativen
Revolution kann allzu viel Opposition
von links die Karriere kosten.
Viel
wird von der Taktik des Präsidenten
abhängen. George Bush hat zwei
Optionen. Er kann sich – wie viele
Präsidenten während ihrer
zweiten Amtsperiode – um sein
Vermächtnis kümmern und die
Zusammenarbeit mit der Opposition anstreben.
Pragmatiker empfehlen ihm diesen Kurs;
denn für seine Reformen von rechts
brauche er noch immer ein paar Demokraten.
Die zweite Option ist der Versuch eines
schnellen Durchmarsches, bevor er in
zwei Jahren zur »lahmen Ente«
wird. Der Charakter des Präsidenten,
die Erfahrungen aus der ersten Amtszeit
und seine Andeutungen über die
zweite Periode sprechen – zumindest
innenpolitisch – für die
brachiale Variante. Bush steht unter
dem Druck der religiösen Rechten,
der er die Mobilisierung bei der Wahl
zu verdanken hat. Wenn die Republikaner
deren Agenda nicht durchsetzten, warnt
James Dobson, der Präsident der
erzkonservativen Organisation Focus
on the Family, würden sie »bei
der nächsten Wahl einen Preis zahlen«.
Die Religiösen könnten wieder
zu Hause bleiben, wenn sie nicht Fortschritte
auf dem Weg zum Abtreibungsverbot sehen.
Zugleich
wittert die Rechte eine Chance, die
Demokraten tödlich zu treffen.
Nach vier weiteren Jahren Bush werde
deren Partei »Brei« sein,
schreibt Grover Norquist, Präsident
der libertären Sammlungsgruppe
Americans for Tax Reform. Das Schadenersatzrecht
würde verändert, sodass die
Anwälte weniger verdienten. Dadurch
entzöge man den Demokraten ihre
wichtigsten Financiers. Die Privatisierung
der sozialen Sicherungssysteme wiederum
werde die Basis der Demokraten erodieren.
Die Republikaner müssten im Kongress
schließlich nur noch »mit
einzelnen Demokraten zusammenarbeiten«,
meint Newt Gingrich.
Genau
dies scheint die Taktik des Präsidenten
zu sein. Er bemüht orwellsche Sprachverwirrung,
indem er großherzig von der »Einigung
des Landes« und der »Kooperation«
mit den Demokraten spricht. Als Beispiele
für gute Zusammenarbeit nennt er
aber einzelne Abweichler unter den Demokraten,
die politisch schon dort sind, wo er
sich befindet. Ernst wird man die Bemerkung
nehmen müssen, durch die Wahl habe
er nun »ein Mandat«. Wer
sich erinnert, was dieser Präsident
nach der Wahl 2000 ohne eine Mehrheit
unter den Wählern vollbrachte,
wird sich fragen, was er 2004 mit der
Majorität im Rücken anstrebt.
Quelle:
(c) DIE ZEIT 11.11.2004 Nr.47
http://www.zeit.de/2004/47/US-Werte
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RUSSLAND
Zurück
zu Gott und Vaterland
Putin verordnet die patriotische
Wiederaufrüstung - per Dekret soll
Russland eine verlässliche Staatsmoral
erhalten
Jutta
Scherrer
Wieder einmal war es der Menschenrechtler
Sergej Kovalew, der in den Kurs des
Kreml eingriff. Im Sender Echo Moskau
und im Fernsehen machte er am 31. Mai
auf eine Verordnung aus der "Sonderabteilung"
der Akademie der Wissenschaften aufmerksam,
die an die Direktoren sämtlicher
Forschungsinstitute der Akademie einschließlich
der Bibliothek für Sozialwissenschaften
ging. Diese wurden aufgefordert, eine
"regelmäßige Kontrolle
über die Reisen von Akademieforschern
ins Ausland auszuüben", ihre
Berichte über ihre dortigen Aufenthalte
stärker zu kontrollieren sowie
die "Kontrollen über internationale
wissenschaftliche Konferenzen in Russland
zu verschärfen".
Sinnigerweise
wurde diese Anordnung gerade in jener
Woche publik, als der Finanzier George
Soros, der einen Großteil der
heruntergekommenen russischen Forschung
finanziert, Moskau einen längeren
Besuch abstattete - natürlich ohne
von Putin empfangen worden zu sein.
Putins Vizepremierministerin Walentina
Matijenko wusste selbstverständlich
nichts von dem Dokument, das Kovalew
im Fernsehen hochhielt. Wahrscheinlich
wussten auch die Kreml-Internen nichts
von einem Brief ihres Chefs an die Historiker,
in dem er sie aufforderte, ein neues
Lehrbuch für den Geschichtsunterricht
mit einer den patriotischen Zielen "angemesseneren"
Darstellung des Zweiten Weltkriegs und
der Verdienste der russischen Generale
zu erstellen.
"Russland
- unsere heilige Macht", beschwört
der erste Vers des neuen Textes der
alten Stalin-Hymne. Statt der "Partei
Lenins" wird die "von den
Vorfahren vermachte Weisheit des Volkes"
besungen. In Meinungsumfragen über
die wichtigsten Ereignisse des vergangenen
Jahres nannten die Befragten die Anerkennung
der Staatssymbole durch die Duma - darunter
die Rückkehr zur sowjetischen Hymne
- an erster Stelle. 62 Prozent aller
Russen halten die Wiederbelebung der
nationalen Traditionen und des Glaubens
an Gott für die wichtigsten Elemente
einer Staatsideologie.
Putin
hatte bereits vergangenen September
in seiner "Doktrin über Informationssicherheit"
gefordert, die Würde des Militärs,
den Patriotismus und die traditionellen
Werte der russischen Kultur zu verteidigen.
Doch um die Werte der "von Gott
beschützten Heimaterde" durchzusetzen,
ist es mit dem Pathos der Hymne allein
nicht getan. Damit der neue Russe weiß,
in welche Richtung er sich zu bewegen
hat, muss mit stärkeren Mitteln
nachgeholfen werden. Und warum dafür
nicht gleich die Sicherheit der Russischen
Föderation mobilisieren?
Alles
für den Waffendienst
Über
der berechtigten Aufmerksamkeit, die
sich in den letzten Monaten auf die
Gleichschaltung der Medien in Russland
richtet, ist ein Phänomen nahezu
unbeachtet geblieben, das Putin einmal
mehr als den auf die "Weisheit
des Volkes" hörenden Staatsideologen
ausweist. Gleichsam zur Krönung
des ersten Jahres seiner Präsidentschaft
- ein Jahr nachdem er die Diktatur des
Gesetzes zu seiner Regierungsdevise
gemacht hatte und am Vorabend des "Tages
der Vaterlandsverteidiger" - ließ
er durch Ministerpräsident Kasjanow
ein "staatliches Programm"
für die "patriotische Erziehung
der Bürger der Russischen Föderation"
verkünden. Es ist zunächst
für den Zeitraum zwischen 2001
und 2005 geplant und gilt ab sofort.
Das
vom 16. Februar datierte, in der Regierungszeitung
Rossijskaja gaseta veröffentlichte
und von der Tageszeitung Iswestija vom
23. Februar 2001 nachgedruckte Dekret
besteht aus sieben ausführlichen
Teilen. Im ersten Teil, einer Art Präambel,
wird ausgeführt, dass das patriotische
Programm der "Erhaltung der gesellschaftlichen
Stabilität, der Wiederaufrichtung
der nationalen Ökonomie und der
Stärkung der Verteidigungsfähigkeit
des Landes" dient. Angesprochen
sind alle sozialen Schichten und Altersgruppen,
die es zur "Bereitschaft zum Dienst
am Vaterland" zu erziehen gilt.
Dafür sollen "Erfahrung und
Errungenschaften der Vergangenheit",
"Realitäten und Probleme der
Gegenwart" sowie zukünftige
"Entwicklungstendenzen der Gesellschaft"
berücksichtigt werden.
Der
zweite Teil des Dekrets expliziert die
patriotische Erziehung: "Sie ist
die systematische und zielbewusste Tätigkeit
der Organe und Organisationen der Staatsmacht
zur Ausbildung eines hohen patriotischen
Bewusstseins der Bürger, des Gefühls
der Treue zum Vaterland, der Bereitschaft
zur Erfüllung der Bürgerpflicht
und der in der Verfassung festgelegten
Verpflichtungen zur Verteidigung der
Interessen der Heimat." Die patriotische
Erziehung soll einen "Bürgerpatrioten
der Heimat" (grazdanin-patriot
Rodiny) hervorbringen, der seine Bürgerpflichten
in Friedens- und Kriegszeiten erfolgreich
erfüllt. Als konstitutiv für
die "militärisch-patriotische
Erziehung der Bürger" hat
das Gesetz der Russischen Föderation
"Über Wehrpflicht und Wehrdienst"
zu gelten.
Die
Notwendigkeit des Programms wird durch
den negativen Einfluss begründet,
den "ökonomische Desintegration,
soziale Differenzierung und Werteverlust"
in den letzten Jahren auf das soziale
Bewusstsein der Mehrheit der russischen
Bevölkerung ausübten sowie
die "starke Reduzierung des formativen
Einflusses der russischen Kultur, Kunst
und Erziehung als Schlüsselfaktoren
bei der Ausbildung des Patriotismus".
Als Folge hätten sich Gleichgültigkeit,
Egoismus, Individualimus, Zynismus und
Aggressivität verbreitet, vor allem
aber eine respektlose Haltung dem Staat
und öffentlichen Einrichtungen
gegenüber. Das Ansehen von Kriegs-
und Staatsdienst sei laufend gesunken.
In Anbetracht dieser Lage, so die Schlussfolgerung,
könne niemand außer dem Staat
selbst die Erziehung zum Patriotismus
als "Konsolidierung der Gesellschaft
und Stärkung der Regierung"
übernehmen.
Grundlage
für die patriotische Erziehung
sollen bleibende moralische Ideale sein
wie die "heroischen Ereignisse
der vaterländischen Geschichte,
die hervorragendsten Errungenschaften
des Landes in den Bereichen Politik,
Ökonomie, Wissenschaft, Kultur
und Sport". Die Betonung "historischer
Werte" und "Russlands Rolle
für die Geschicke der Welt"
sowie "die Entwicklung des Gefühls
von Stolz auf sein Land" sollen
helfen, die soziale und ökonomische
Stabilität der Gesellschaft und
die "Einheit und Freundschaft der
Völker der Russischen Föderation
zu konsolidieren".
Der
sehr lange vierte Teil des Dekrets begründet
die "normativ-rechtliche Grundlage"
zur patriotischen Erziehung der russischen
Bürger. Hierunter fällt auch
die Erweiterung des Gesetzes "Über
russische Siegesfeiern" und der
bindende Auftrag an Museen, mit Exponaten
oder speziellen Ausstellungen die nationalen
Errungenschaften zu bezeugen.
Um
russische Bürger auf die Verfassung
und die Wehrpflicht einzuschwören
und ihre Bereitschaft zum Dienst in
Armee und Staat zu stärken, sollen
Organisationen und Vereinigungen geschaffen
werden, die militärpatriotischen,
militärhistorischen, militärtechnischen
und militärsportlichen Tätigkeiten
dienen und auch in patriotischer Hinsicht
auf den Waffendienst vorbereiten. Klubs
und Erziehungspunkte sollen für
künftige Soldaten und Offiziere
eingerichtet werden. Tage des Gedenkens
an die "Verteidiger des Vaterlands"
sowie Gedenkposten (wachti pamjati)
sind vorgesehen sowie allrussische militärisch-sportliche
Spiele und Wettbewerbe zur patriotischen
Erziehung.
Um
die Moral der Nation zu heben, werden
die Vollmachten der Regierungskommission
für soziale Fragen von Armeeangehörigen,
Bürgern, die vom Militärdienst
befreit sind, und ihren Familienangehörigen
erweitert. Vor allem in den Regionen,
die durch separatistische Tendenzen
gekennzeichnet sind, sollen Schwerpunkte
zur patriotischen Erziehung eingerichtet
und vom Zentrum her patriotische Maßnahmen
ergriffen werden.
In
Abschnitt vier des vierten Teils des
Dekrets ist in unverhüllter Offenheit
vom "staatlichen Einfluss auf die
Propagierung des Patriotismus in den
Massenmedien" die Rede: Staatliche
Programme und Empfehlungen zur Verstärkung
der patriotischen Ausrichtung von Radio
und Fernsehen sollen die "objektive
Auslegung historischer und aktueller
Ereignisse garantieren" und der
"Entstellung oder Fälschung
der Geschichte des Vaterlands"
aktiv entgegnen. Fernsehen, Radio und
Presse sollen regelmäßige
Berichterstattungen zu Fragen der patriotischen
Erziehung einrichten und hierzu Persönlichkeiten
aus Staat und Gesellschaft, Kultur und
Wissenschaft, Kriegsveteranen, Militärs
und Lehrer heranziehen.
Echo
des Stalinismus
Mobilisiert
wird vor allem die "schöpferische"
Intelligenzija, um "positive Helden"
in künstlerischen Werken zu schaffen,
die die verschiedenen Alters- und Sozialgruppen
der Gesellschaft ansprechen. Journalisten,
Schriftsteller, Filmemacher sollen in
Wettbewerben Preise für Bücher,
Filme und Theateraufführungen erhalten,
die der patriotischen Erziehung dienen
und von der Geschichte und den Kulturen
der Völker Russlands inspiriert
sind.
Vor
allem aber gilt es der "Falsifikation
der vaterländischen Geschichte"
durch Faktenmaterial über historische
Ereignisse, Veröffentlichung von
Archivmaterialien, Kriegsliteratur,
Memoiren, patriotische Kalender und
Souvenirs entgegenzuwirken. Ein spezielles
Organ für die patriotische Erziehung
soll geschaffen werden. Patriotisch
ausgerichtete Schulbücher sind
angehalten, über die im Lande entstehenden
sozialökonomischen und kulturellen
Transformationen, die Rolle des Staates
und der Persönlichkeit in den Geschicken
des russischen Volkes informieren. Es
gilt, die Erinnerung an Ereignisse,
die zum Kriegsruhm Russlands beitrugen,
aktiv zu pflegen.
Für
die Implantation der patriotischen Erziehung
sollen die bestehenden Wissenschafts-,
Bildungs- und Kultureinrichtungen, Verbände
der Jugend und der Veteranen, religiöse
Gruppen sowie Organe der Masseninformation
herangezogen werden. Doch das Hauptinstrument
sind die Staatsorgane. "Auf der
Grundlage einer einheitlichen staatlichen
Politik in Übereinstimmung mit
der Konzeption der nationalen Sicherheit
der Russischen Föderation"
wird der Staat die entsprechenden Maßnahmen
treffen für die Ausbildung geistig-patriotischer
Werte, Wissen und Treue gegenüber
der Verfassungs- und Militärpflicht.
Der Staat zeichnet verantwortlich für
die Ausbildung von Kadern für die
patriotische Erziehung auf föderaler
und regionaler Ebene, wozu wissenschaftliche
wie praktische Kurse zur patriotischen
Erziehung und die Organisation eines
allrussischen Kongresses aller patriotischen
Vereinigungen gehören.
Das
Ziel des Programms besteht auf der "sozialideologischen"
Ebene darin, die "geistig-moralische
Einheit der Gesellschaft" durch
die "Renaissance der wahren geistigen
Werte des russischen Volkes" zu
sichern, die ihrerseits wiederum die
"Einheit und Freundschaft der Völker
der Russischen Föderation"
verstärkt. Auf der sozialökonomischen
Ebene soll der Rückgang der sozialen
Spannungen zugunsten der sozialen und
ökonomischen Stabilität erlangt
werden. Im Bereich der Verteidigungsfähigkeit
des Landes soll bei der Jugend der Wunsch,
in der Armee zu dienen, gestärkt
werden und ihre Bereitschaft zur Verteidigung
des Vaterlands, zur Bewahrung und Entwicklung
seiner ruhmreichen Kämpfer und
Arbeitstraditionen.
Die
Koordinierung des Programms der patriotischen
Erziehung obliegt der "Regierungskommission
für soziale Fragen der Armeeangehörigen,
der vom Militärdienst befreiten
Bürger und ihrer Familienangehörigen".
Sie kontrolliert die Finanzmittel und
beurteilt die verschiedenen Projekte.
Ausführende Funktionen haben die
Ministerien für Erziehung, Kultur
und Verteidigung sowie das staatliche
militärische, historisch-kulturelle
Zentrum der Regierung der Russischen
Föderation. Für die Finanzierung
der patriotischen Erziehung der russischen
Bürger hat die Regierung einen
Gesamtbetrag von 17 795 Millionen Rubel
(circa sechs Millionen Dollar) bereitgestellt.
Die Aufschlüsselung dieses beträchtlichen
Betrags auf die einzelnen Ministerien
und Departments stellt im Dekret einen
besonderen Teil dar.
In
diesem schlecht aufgegliederten, in
holprig bürokratischer Sprache
verfassten Dekret sucht man nach dem
Terminus "Bürger-" oder
"Zivilgesellschaft" vergeblich.
Im Mittelpunkt steht die Ausbildung
einer staatstreuen Gesinnung und die
Formierung des (im Russischen ebenso
wie im Deutschen unglücklich klingenden)
"Bürgerpatrioten der Heimat".
Es geht nicht um die Beteiligung engagierter
Bürger an der Politik, sondern
um ihr "richtiges" Bewusstsein.
Bürgerbewegungen scheinen dem Staatsaufbau
im Wege zu stehen, und Stabilität
wird einzig im Verhältnis der "Macht"
zum "Volk" gesehen. Entsprechend
dem von Putin bevorzugten Schema der
Selbsterhaltung der höchsten Macht
und seiner Bevorzugung der "nationalen
Idee" werden im Dekret rodina (Heimat)
und otezestwo (Vaterland) im Unterschied
zu der im Russischen gebräuchlichen
Rechtschreibung nur mit großen
Anfangsbuchstaben geschrieben. In fataler
Weise liest sich der militaristisch
gefärbte Text wie ein nostalgischer
Ruf nach den ausgedienten Institutionen
der sowjetischen Jugend. Die Devise
der Jungen Pioniere - "Immer bereit,
allzeit bereit" - ist allseits
präsent wie überhaupt das
sowjetische Pathos. Von fern ist man
an den Stalinschen Patriotismus erinnert.
Das
Schweigen der Intelligenzija
Ich
hatte im Frühjahr wegen kulturwissenschaftlicher
Projekte in Moskau und einigen Städten
der Provinz zu tun. Niemand unter meinen
Gesprächspartnern, die ich auf
das Dekret wie auch auf den neuen Text
der Nationalhymne ansprach, schien damals
darüber Genaueres zu wissen. Alle
wichen meinem insistierenden Nachfragen
aus. Als ob man sich gegenüber
dem Ausländer aus dem Westen schämte,
oder als ob es wieder neue Tabus ihm
gegenüber gäbe. Wobei die
Moskauer Intelligenzija die ganze Problematik
der patriotischen Erziehung herunterspielte
oder sogar als "Unsinn" abtat
- "eine Verordnung mehr, die keine
Folgen haben wird".
In
Samara bekam ich ausweichend von einem
durchaus anerkannten Professor der Philosophie
zu hören, dass es an sich nicht
schlecht sei, den verloren gegangenen
Respekt vor dem Staat und seinen Symbolen
wieder einzuführen. Es sei moralisch
gerechtfertigt, angesichts von Mafia,
Gewalt und Verbrechen die Werte des
Staats zu honorieren. Über die
ideologische Komponente des Dekrets
wollte er sich nicht äußern.
Seine Befürchtung galt den Bürokraten
und wie sie mit den Vorgaben der Regierung
umgehen.
Aber
auch führende Zeitungen und Zeitschriften
haben dem Dekret bisher kaum Beachtung
geschenkt. Als ob alles in der Akzeptanz
des Putinismus durch die überwiegende
Mehrheit des russischen Volkes unterginge
und der erste Jahrestag der Präsidentschaft
Putins den Presseorganen den Weg für
die "Details" verstellte.
So führte die kritische Wochenzeitschrift
Vlast' (Macht) dem Leitartikel "Grundlagen
des Putinismus"drei Spalten mit
Lobesliedern und -reimen auf "Wladimir
Putin, den leuchtendsten Genius und
besten Menschen auf dem Planeten"
bei, die fatal an sowjetische Bräuche
erinnern.
Ein
Reisebüro in einer Provinzstadt
bietet für 45 Rubel eine anderthalbstündige
Exkursion, die den Touristen auf die
Minute genau einen Besuch Putins nachvollziehen
lässt. Auf den Spuren Putins werden
ihm all die "Erinnerungsorte"
gezeigt, die der Präsident mit
eigenen Augen sah. In einem Dorf in
der Nähe von Rostow trägt
eine neu erbaute orthodoxe Kirche die
Inschrift "Gegründet im Jahre
2000 zu Ehren der heiligen zaristischen
Märtyrer und in Erinnerung an die
Wahl Wladimir Wladimirowitsch Putins
zum Präsidenten Russlands".
In Sankt Petersburg erschien ein Buch
für die ersten Schulklassen über
Putins Kindheit (Auflage: 10 000 Exemplare,
finanziert von Putins Partei Einheit).
Der "junge Wolodja fürchtete
niemanden und tat niemandem etwas zuleide",
ist hier zu lesen; er war ein "wahrer
Freund". Er "lernte und arbeitete
viel", "half guten Menschen
und lehnte schlechte Menschen sehr stark
ab". Eine Moskauer Galerie zeigte
im Februar dieses Jahres die Ausstellung
Unser Putin mit Porträts des Präsidenten.
Beispiele
dieser Art ließen sich beliebig
vermehren, das Charisma Putins ist nach
wie vor ungeschmälert. In Umfragen
über die wichtigsten Politiker
in den letzten Monaten fand Putin sich
nach wie vor an erster Stelle. Sein
erklärtes Ziel der "lenkbaren
Demokratie" erfährt keinen
Widerspruch. Angeblich sind 57 Prozent
der Bürger für die Rückkehr
zur Zensur. Der Verlust des patriotischen
Bewusstseins wird von vielen bedauert,
und Putins "Ruf zu den Waffen"
schafft einen Konsens. Dass es mit Ausnahme
weniger Menschenrechtsorganisationen
dem Establishment der Intelligenzija
peinlich ist, darüber auch nur
zu sprechen, lässt einmal mehr
daran zweifeln, ob diese das Rückgrat
für eine Zivilgesellschaft hat.
Vorläufig schickt sie ihre Söhne
an Lehrstühle für "Bürgerverteidigung",
die unter Vorgabe militärwissenschaftlicher
Studien vom Militärdienst befreien.
Quelle:
DIE ZEIT
http://www.zeit.de/archiv/2001/31/200131_putin.xml
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Freiheit |
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Die
Grundsätze:
II.1. Die Grundwerte der Sozialdemokratie
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
streben eine Gesellschaft an, in der
sich die menschliche Persönlichkeit
frei entfalten kann. Unsere politische
Arbeit zielt darauf ab, eine Gesellschaft
ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse
zu schaffen, die demokratisch organisiert
ist und auf den Werten der Freiheit,
der Gleichheit, der Gerechtigkeit und
der Solidarität beruht. Entscheidungsgrundlagen
für die Lebensgestaltung jeder
und jedes Einzelnen müssen vor
allem die Verantwortung gegenüber
sich selbst, gegenüber den Mitmenschen
und der Gesellschaft, gegenüber
der Umwelt sowie gegenüber den
künftigen Generationen sein.
Freiheit
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
treten für die Freiheit jedes und
jeder Einzelnen im Sinne sozial verantworteter
Selbstbestimmung ein. Die Freiheit des
bzw. der Einzelnen ist für uns
die Voraussetzung für die Freiheit
aller in der Gesellschaft. Freiheit
bedeutet nicht nur die Absage an jegliche
Form der Diktatur und autoritärer
Systeme, sondern hat auch materielle
und soziale Voraussetzungen: Erst durch
Bildung, Information und entsprechende
materielle Absicherung können Abhängigkeiten
überwunden, Wahlmöglichkeiten
geschaffen und damit Freiheit lebbar
gemacht werden. Nur unter solchen Voraussetzungen
ist ein Leben in Freiheit und Sicherheit
möglich, und damit die Grundlage
für Selbstbestimmung geschaffen.
.....
Alle diese Grundwerte
- Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Solidarität - sind gleichrangig.
Nur ihre gemeinsame Verwirklichung kann
allen Menschen ein erfülltes Leben
in Frieden und Freiheit gewährleisten.
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Definition:
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Freiheit
Unabhängigkeit von
äußerem Zwang;
das heißt die Möglichkeit
jedes Menschen, durch eigenen
Entschluss zu handeln und
sein Leben in eigener Verantwortung
zu führen. In der Politik
heißt Freiheit die
Unabhängigkeit eines
Staates, in der Gesellschaftsordnung
meint sie die Möglichkeit
für jeden, über
die Regeln der Gemeinschaft
mitbestimmen, in Fragen
des Glaubens und der persönlichen
Meinung frei entscheiden
zu können und diese
Freiheit auch zu nutzen.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
waren die Leitsätze
der Französischen Revolution.
Es darf aber auch nicht
vergessen werden, dass der
Motor der kapitalistischen
Entwicklung ein unbändiges
Freiheitsstreben war, das
sich im späten Mittelalter
und in der Renaissance angesammelt
hatte. Kein Adel! Kein Staat!
Kein Vorgesetzter! hätte
auch die Parole der Frühkapitalisten
heißen können
( Abhängigkeit). Freiheit
in der Demokratie beruht
auf: politischer Demokratie,
Marktwirtschaft und "Bürgergesellschaft".
Civil Society
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Gleichheit |
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Die
Grundsätze:
II.1. Die Grundwerte der Sozialdemokratie
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
streben eine Gesellschaft an, in der
sich die menschliche Persönlichkeit
frei entfalten kann. Unsere politische
Arbeit zielt darauf ab, eine Gesellschaft
ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse
zu schaffen, die demokratisch organisiert
ist und auf den Werten der Freiheit,
der Gleichheit, der Gerechtigkeit und
der Solidarität beruht. Entscheidungsgrundlagen
für die Lebensgestaltung jeder
und jedes Einzelnen müssen vor
allem die Verantwortung gegenüber
sich selbst, gegenüber den Mitmenschen
und der Gesellschaft, gegenüber
der Umwelt sowie gegenüber den
künftigen Generationen sein.
Gleichheit
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
sind davon überzeugt, dass jeder
Mensch in seiner Einmaligkeit und Individualität
gegenüber allen anderen Menschen
gleichberechtigt und gleichwertig ist.
Daher sind alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit
gleich an Rechten und Würde; deshalb
wollen wir für alle Menschen Chancengleichheit
durchsetzen - unabhängig von ihrem
Geschlecht, ihrer Herkunft und ihrem
Einkommen, ihrer körperlichen und
geistigen Leistungsfähigkeit, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen
Zugehörigkeit, ihrer Weltanschauung,
ihrem religiösen Bekenntnis oder
ihrem individuellen Lebensentwurf. Zur
Chancengleichheit gehören für
uns das Recht auf Arbeit und Bildung
sowie gleiche politische und soziale
Menschenrechte. Menschen, die schwächer
und benachteiligt sind, haben ein Recht
auf besondere Unterstützung und
Förderung.
.....
Alle diese Grundwerte
- Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Solidarität - sind gleichrangig.
Nur ihre gemeinsame Verwirklichung kann
allen Menschen ein erfülltes Leben
in Frieden und Freiheit gewährleisten.
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Definition:
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Gleichheit
die Gleichheit aller Menschen
war eine der Hauptforderungen
der Französischen Revolution.
Gemeint war damit die Chancengleichheit,
das heißt, es wurde
nicht die Gleichheit der
Menschen behauptet, sondern
Gleichheit ihrer Lebens-
und Selbstverwirklichungschancen
gefordert. Bürger,
Freiheit, Klassenkampf.
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Gerechtigkeit |
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Die
Grundsätze:
II.1. Die Grundwerte der Sozialdemokratie
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
streben eine Gesellschaft an, in der
sich die menschliche Persönlichkeit
frei entfalten kann. Unsere politische
Arbeit zielt darauf ab, eine Gesellschaft
ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse
zu schaffen, die demokratisch organisiert
ist und auf den Werten der Freiheit,
der Gleichheit, der Gerechtigkeit und
der Solidarität beruht. Entscheidungsgrundlagen
für die Lebensgestaltung jeder
und jedes Einzelnen müssen vor
allem die Verantwortung gegenüber
sich selbst, gegenüber den Mitmenschen
und der Gesellschaft, gegenüber
der Umwelt sowie gegenüber den
künftigen Generationen sein.
Gerechtigkeit
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
setzen uns für Gerechtigkeit in
allen gesellschaftlichen Bereichen ein.
Wir treten daher für eine gerechte
Verteilung aller gesellschaftlichen
Chancen und Güter ein, insbesondere
von Arbeit und Bildung sowie Einkommen
und Vermögen. Wir treten für
die gleichberechtigte Teilhabe aller
an der Gesellschaft ein und stehen dabei
an der Seite der sozial Schwächeren.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft freier
und gleicher Menschen, in der die Klassenunterschiede
überwunden sind.
.....
Alle diese Grundwerte
- Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Solidarität - sind gleichrangig.
Nur ihre gemeinsame Verwirklichung kann
allen Menschen ein erfülltes Leben
in Frieden und Freiheit gewährleisten.
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Definition:
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Gerechtigkeit (soziale)
bezieht sich auf sozialpolitische
Maßnahmen, die Benachteiligungen
verschiedener Bevölkerungsgruppen
(wie kinderreiche oder unvollständige
Familien, Landbewohner,
Körperbehinderte) ausgleichen
soll.
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Solidarität |
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Die
Grundsätze:
II.1. Die Grundwerte der Sozialdemokratie
Wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten streben eine Gesellschaft
an, in der sich die menschliche Persönlichkeit
frei entfalten kann. Unsere politische
Arbeit zielt darauf ab, eine Gesellschaft
ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse
zu schaffen, die demokratisch organisiert
ist und auf den Werten der Freiheit,
der Gleichheit, der Gerechtigkeit und
der Solidarität beruht. Entscheidungsgrundlagen
für die Lebensgestaltung jeder
und jedes Einzelnen müssen vor
allem die Verantwortung gegenüber
sich selbst, gegenüber den Mitmenschen
und der Gesellschaft, gegenüber
der Umwelt sowie gegenüber den
künftigen Generationen sein.
Solidarität
Solidarität im Sinne von Rücksichtnahme
auf den Nächsten und Bereitschaft
zu gemeinsamem Handeln ist die Basis
für die politische Verwirklichung
der Ziele der Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten. Solidarität bedeutet
Verantwortung für die Gemeinschaft
und damit die Verpflichtung, sich für
andere einzusetzen und gesellschaftliche
Aufgaben im Interesse unserer Grundwerte
zu erfüllen. Sie ist letztlich
die Grundlage des sozialen Zusammenhalts
und das wirksamste Instrument zur Durchsetzung
gerechterer Lebensbedingungen. Internationale
Solidarität umfaßt alle Völker.
.....
Alle diese Grundwerte
- Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Solidarität - sind gleichrangig.
Nur ihre gemeinsame Verwirklichung kann
allen Menschen ein erfülltes Leben
in Frieden und Freiheit gewährleisten.
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Definition:
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Solidarität
Als politisches Schlagwort
wird Solidarität heute
verwendet, um eine enge
Verbundenheit und ein Zusammenhalten
aufgrund gleicher Anschauungen
und Ziele zu bezeichnen.
Der Begriff war ursprünglich
als Rechtswort Anfang 19.
Jh. dem frz. solidaire wechselseitig
für das Ganze haftend
entlehnt worden und beruht
auf dem lat. solidus echt,
unerschütterlich. Echtes
Zusammengehörigkeitsgefühl
und Zusammenhalten setzen
Einfühlung, Mitgefühl
und die Fähigkeit,
sich zu verbinden, voraus.
Echte Übereinstimmung
besteht in der beidseitigen,
partnerschaftlichen Einigung
auf ein Ziel und in der
Bereitschaft, Privilegien
aufzugeben. Solidarisches
Handeln entwickelt sich
aus persönlicher Betroffenheit
zu einem Verantwortungsbewusstsein
für das Ganze, verlässt
die Position der Neutralität
oder Gleichgültigkeit,
bezieht eindeutig für
etwas oder jemanden Stellung
und wirkt emanzipatorisch.
Solidarität
mit Menschen, die in ihrer
kognitiven Entwicklung beeinträchtigt
sind, beruht auf sozialer
Wertschätzung, d.h.
auf dem Interesse an ihren
Bedürfnissen, auf der
Einfühlung in ihr Erleben,
auf der emotionalen wie
auch rechtlichen Anerkennung
ihrer eigenen Wirklichkeit.
Diese als berechtigt zu
bestätigen bedeutet
in der Bildungsarbeit, dass
wir jene Haltung aufgeben,
derzufolge wir schon im
Voraus zu glauben wissen,
was für die Lernenden
wichtig ist, und wir jene
Einigung schaffen, die Lernenden
erlaubt, mit Hilfe ihrer
eigenen Wahrnehmung ihr
Dasein selbst zu formen.
Es gilt, dafür einzustehen,
dass sie ihre eigene Wirklichkeit
entdecken, erfahren, aufarbeiten
können, damit ihr Selbst
entstehen und bestehen kann.
( Mitleid, Verantwortung)
Solidarität
Zusammengehörigkeit,
gegenseitige Verpflichtung
zur Aufhebung von Konkurrenz.
Es gibt eine innere Solidarität,
die ein "Wir-Gefühl"
vermittelt, und es gibt
eine äußerliche
Solidarität, die dazu
dient, gemeinsame Interessen
durchzusetzen. Freundschaft,
Gruppe, Liebe
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Toleranz |
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Toleranz, ein Mittel um allen Konfrontationen
aus dem Weg zu gehen, ein Zeichen
der Schwäche, der Meinungslosigkeit,
des fehlenden Mutes sich gegen etwas
auszusprechen oder ein Mittel der
psychotherapeutischen Selbstbehandlung
– ich bin tolerant, ich bin
gut?
Was bedeutet Toleranz oder was soll
es bedeuten?
Diese und viele andere Fragen können
sich stellen wenn der Begriff Toleranz
hinterfragt wird. Aber wer weiß
schon immer ganz genau welcher Begriff
was bedeutet. Wesentlich ist doch
dass ein Verhalten, ein Empfinden
oder eine Überzeugung ehrlich
gemeint sind. Kommen noch ein wenig
Einfühlungsvermögen und
die Gabe zu Verstehen hinzu und ist
ein Mensch grundsätzlich nicht
negativ beeinflusst oder von Neid
geplagt, dann braucht über diesen
und einige andere Begriffe erst gar
nicht zu diskutiert werden.
Toleranz ist eine der Tugenden die
einen wesentlichen Stellenwert in
der Sozialdemokratie bilden.
Die Fragen die beantwortet werden
sollten sind jene die sich stellen
wenn positives Verhalten in Konflikt
mit ebenso vertretbaren anderen Verhaltensweisen
steht, wie zum Beispiel:
-
"Wo beginnt
Toleranz und wo endet sie?"
-
-
"Wie weit
ist Toleranz erträglich bzw.
zumutbar?" -
-
" Wie viel
Toleranz dürfen die Intoleranten
beanspruchen? " -
-
"Wie lässt
sich Toleranz mit bzw. gegen allgemein
anerkannten Bestimmungen, Verhaltensweisen
aber auch gesetzlichen Bestimmungen
vertreten?" -
-
" Wie tolerant
soll mit Toleranz umgegangen werden?"
-
-
"Sind die
Grenzen der Toleranz individuell
oder für alle gleich?"
-
-
"Gibt es
eine kollektive Toleranz? "
-
-
" Wie soll
der Einzelne oder der Staat mit
Weltanschauungen umgehen, die nicht
mit den Grundwerten von Freiheit
und Gleichheit vereinbar sind? "
-
-
" Ist Toleranz
ausschließlich passiv? "
-
-
" Lässt
Toleranz Kompromisse zu? "
-
-
" Sollte
Toleranz eingefordert werden?"
Es ist uns nicht gelungen für
alle Fragen Antworten zu finden, wir
sind aber sicher dass dies noch nachgeholt
werden wird, einiges zu diesem Begriff
konnten wir aber zusammentragen.
Christian
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Toleranz
(lat.: tolerare, dulden) Duldsamkeit,
Spielraum; die Bereitschaft, im Miteinanderleben
die Gewohnheiten, Auffassungen und das
Verhalten anderer gelten zu lassen.
Die Bedeutung
des Begriffs Toleranz schwankt zwischen
herablassender Duldung und respektvollem
Umgang oder Anerkennung mit anders Denkenden,
bis zum Essays "Repressive Toleranz"
in dem Sammelband "Kritik der reinen
Toleranz" von Herbert Marcuse,
die jedes Räsonieren frei stellt,
um jedes Handeln zu lähmen.
In der Antike
bedeutete Toleranz nichts anderes als
"erdulden", etwa den Winter
oder die Steuerlast.
Ursprünglich
war damit die Religionsfreiheit der
Untertanen eines Staates gemeint. Im
Christentum wurde Toleranz jedoch zur
Tugend, vor allem weil die Christen
selbst viel Verfolgung erleiden mussten.
Dem Toleranzedikt
im Jahr 313 verdankte das Christentum
schließlich, dass es zur Staatsreligion
wurde. Die eigene Geschichte hinderte
die Christen in der Zukunft jedoch nicht
daran, Ketzer und Heretiker selber zu
verfolgen, ja sogar Kriege zu führen.
Gegenbegriff
ist der Fanatismus
Josef II. begründete
mit seinem Toleranzpatent
(1781) das moderne Verständnis
der Toleranz, vor allem im Verhältnis
Staat und Bürger.
Grenzen
Toleranz hat ihre Grenzen dort, wo sie
von Menschen zum Schaden anderer überdehnt
wird. Die Grenzen der Toleranz im Christentum
lagen laut Kirchenlehrer Cyprianus dort,
wo der eigene Glaube nicht berührt
wurde.
Sozialethik
In der Sozialethik bedeutet Tolerieren,
dass ein einzelner Mensch oder eine
Gruppe nach Maßgabe der Gleichberechtigung
störende Einflüsse, die von
anderen Menschen oder Gruppen ausgehen,
nicht mit (scharfen) sozialen Sanktionen
ahndet. Toleranz geht nicht so weit
wie Akzeptanz – bei letzterer
wird ein Zustand als von den eigenen
Wünschen zwar abweichend, aber
als dem Gemeinnutz dienlich anerkannt.
Soziologie
Im Bereich der öffentlichen Meinung
hat die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann
in diesem Zusammenhang eine Wechselbestärkung
scheinbarer Toleranz soziologisch als
"Schweigespirale" beschrieben.
Erziehung
Hier wird Toleranz, oft im Rahmen der
"Politischen Bildung", als
aktive Bürgertugend gefördert
und gilt als Kennzeichnung eines funktionierenden
Rechtsstaates und einer 'lebenden' Demokratie.
Es werden auch Formen der Toleranz unterschieden:
Passive
Toleranz
Tolerieren im passiven Sinn bedeutet,
dass eine negative, Akzeptanz ausschließende
Beurteilung zwar getroffen wurde, der
Bewertende enthält sich jedoch
einer offenen Reaktion, zum Beispiel
um des 'lieben Friedens' willen. In
diesem Sinne sagen zum Beispiel Eltern
mit entsprechendem Unterton zu ihren
Kindern: "Na gut, ich toleriere
das!" Ausschließlich passive
Toleranz wird pädagogisch nicht
begrüßt, weil sie einer Vermeidungshaltung
gegenüber Problemen (Robert K.
Merton: retreatism) gleichkommt und
der Ignoranz sehr nahe kommt.
Aktive
Toleranz
Toleranz im positiven Sinn und als Grundwert
freier, pluralistisch ausgerichteter
Gesellschaften bedeutet absolute geistige
Offenheit bezüglich der Option
einer möglichen Akzeptanz des tolerierten
Sachverhaltes in der Zukunft. Beim positiven
Tolerieren wird eine abschließende
Bewertung des tolerierten "Einflusses"
nicht nur durch entsprechende Reaktionen
nicht zum Ausdruck gebracht, sondern
eine Beurteilung unterbleibt auch bewusst
im Geiste.
Die Gründe dafür
bilden auch die charakterliche Grundlage
toleranter Menschen: Ein toleranter
Mensch ist sich im sokratischen Sinne
über die Grenzen des eigenen Wissens
bewusst. Insbesondere lässt er
eine intuitive Gefühlsreaktion,
die oft auf Grund von allgegenwärtigen
Vorurteilen oder Stereotypien ins Bewusstsein
gelangt, nicht als Grundlage für
eine abschließende Bewertung gelten.
Das Nicht-Nachgeben gegenüber solchen
Gefühlslagen wird zu einer charakterprägenden
Übung, die das Entstehen dieser
irrational negativen Gefühlsreaktionen
in der Zukunft vermindert und die tolerante
Grundhaltung dieses Menschen festigt.
Kann ein toleranter
Mensch aus dem eigenen, sicheren Wissen
heraus keine negative Bewertung des
Einflusses ableiten, dann wird er auch
kein Urteil fällen und keine entsprechende
Reaktion äußern. Wirkt der
Einfluss aber als Beeinträchtigung
und erfordert somit eine Bewertung,
bemüht sich der dem Wesen nach
tolerante Mensch um ein genaues Verständnis
der Situation, auf dessen Grundlage
er sich mit dem Einfluss adäquat
auseinander setzen kann.
Toleranz im positiven
Sinn (deshalb auch "Aktive Toleranz"
genannt) schließt die Fähigkeit
ein, zu erkennen, wann eine Urteilsfassung
und das zum Ausdruck Bringen derselben
geboten ist. Dieses schließt die
Fähigkeit zur Non-Akzeptanz und
ihrer angemessenen Äußerung
ein; damit unterscheidet sie sich wesentlich
von der Ignoranz.
Liegt eine Not, ein Urteil zu fällen
und zu artikulieren, nicht vor, gebietet
schon die soziale Lebenseffizienz, sich
der Urteilsfindung zu enthalten.
Gemäß der
Mesotes-Lehre des altgriechischen Philosophen
Aristoteles haben gute Charaktereigenschaften
immer zwei negative Gegensätze,
in deren Mitte sie sich befinden. So
ist es auch bei der (aktiven) Toleranz:
ihre Gegensätze sind Intoleranz
und die Ignoranz.
Intoleranz
Intoleranz (Unduldsamkeit) bedeutet,
dass Akzeptanz abschließend versagt
wird, obwohl außer einer irrationalen
Gefühlsregung nichts für eine
solche Bewertung spricht das eigene
Wissen für eine abschließende
Bewertung nicht ausreicht die zuvor
angestrengte gedankliche Auseinandersetzung
der abschließenden Beurteilung
nicht gerecht wird, oder keine Not bestand,
eine solche abschließende Bewertung
zu treffen, da Beeinträchtigungen
für einen selbst und andere, die
von dem entsprechenden Sachverhalt ausgehen,
offensichtlich vernachlässigbar
sind.
Toleranz gegenüber Intoleranz
Zur Charaktereigenschaft der Toleranz
gehört in der Politischen Bildung
Nicht-Akzeptanz gegenüber Intoleranz
unbedingt mit hinzu (siehe Aktive Toleranz).
Toleranz ohne diese Fähigkeit zur
Non-Akzeptanz entspricht ziemlich genau
dem anderen Gegenteil der Toleranz:
der Ignoranz.
Ignoranz
Ignoranz als Gegensatz zur Toleranz
ist die Unfähigkeit oder der Unwillen,
Nicht-Akzeptanz zu äußern,
auch wenn sie aus ethischen oder anderen
Gründen geboten ist.
Bei der Ignoranz finden prinzipiell
entweder gar keine Bewertungsbemühungen
statt oder diese Bemühungen bestehen
in einer vorhersagbar simplen Gedankenmechanik,
die stets zu positiven Ergebnissen kommt.
Ignorante Menschen äußern
entweder völlige Gleichgültigkeit,
oder sie signalisieren immer nur Zustimmung
– zum Beispiel aus Opportunismus.
Im Ergebnis ähnelt Ignoranz der
oben erwähnten passiven Form von
Toleranz, wobei im Unterschied dazu
bei passiv toleranter Haltung Non-Akzeptanz
verdeckt vorhanden ist und nicht selten
subtil (etwa durch die Tonlage) ausgedrückt
wird.
Ignoranz steht mit
Toleranz insofern im Widerstreit, da
sie auch echte Intoleranz, das Gegenteil
von Toleranz, duldet. Ignoranz ist deshalb
mit einer toleranten Geisteshaltung
unvereinbar. Dennoch können die
beiden Charaktereigenschaften leicht
verwechselt werden, insbesondere bei
Abwesenheit intoleranter oder anderer
schwerwiegend negativer Einflüsse.
Ergänzende
oder abweichende Definitionen
für diesen Begriff sind vor allem
in den Bereichen Technik, Toxikologie,
Pädagogik und Ökologie zu
finden.
Info:
Definitionen teilweise aus
http://de.wikipedia.org
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Tugenden oder Werte?
Toleranz - Kardinaltugend der Demokratie
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Übersicht
1.0 Einführung
2.0 Toleranz heute -
250 Jahre nach LESSING und MENDELSSOHN
3.0 "Hoffen auf eine intensiver gelebte Toleranz"
4.0 "Prinzipien der Toleranz" - Definition der
UNESCO
5.0 Toleranz - Rede am Vorabend des 9. November 2001
5.1
Fünf Strukturelemente der offenen Gesellschaft
5.2
Toleranz - ein interpretationsbedürftiger Begriff
5.3
Toleranz als Respekt
5.4 Würdigung
6.0 "Wann müssen wir tolerant sein?"
6.1 Begriff und Funktion der Toleranz
6.2 Die Kernpunkte der Argumentation
7.0 Literaturnachweis |
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1.0
Einführung
In
der Gegenwart ist Toleranz für das Zusammenleben
der Menschen grundlegend wichtig. Das
gilt zumal nach den Ereignissen des
11. September 2001. Dabei ist es unerheblich,
ob man sie für einen Wert, eine Haltung,
eine Tugend, hält - wie immer man die
Begriffe wählen will. Wenig sinnvoll
scheint es, hier vor allem philosophische
Überlegungen und Definitionen vorzustellen.
Statt dessen sollen zunächst zwei politisch
orientierte Äußerungen dokumentiert
werden, die als repräsentativ gelten
können.
Systematische und umfassende Informationen
zum Thema finden Sie bei Klaus SCHREINER
(1990, S. 445 - 605).
Unter
den unüberschaubar vielen Definitionsversuchen
verdient die Interpretation des Politologen
Prof. Dr. Richard LÖWENTHAL besondere
Beachtung. LÖWENTHAL unterlässt jede
unverbindlich-sentimentale Überhöhung.
Im Gegenteil - er stellt den Kern des
Begriffes analytisch klar heraus. Der
folgende Text ist eine Kurzfassung der
Festrede, die er am 4. März 1979 zur
Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit
gehalten hat.
Ignatz BUBIS war lange
Zeit Vorsitzender des Zentralrats der
Juden in Deutschland. Die Überlegungen
des Repräsentanten einer Minderheit,
die unter der Verweigerung von Toleranz
wie keine andere gelitten hat, haben
ein in eigenem Leiden gründendes Gewicht.
Sie wurden in der Wochenzeitung "Das
Parlament", Jg. 44, Nr. 50 vom 16. Dezember
1994 veröffentlicht.
Vorgestellt
wird außerdem die Definition der UNESCO-Menschenrechtskommission
vom 1995.
Nach den Ereignissen des 11. September
2001 ist die Frage aktueller denn je,
was das Wesen von Toleranz ausmache.
Julian NIDA- RÜMELIN hat
kürzlich eine Antwort darauf vorgetragen,
deren Kerngedanken in diese Übersicht
aufgenommen werden..
Letzthin hat
Jürgen HABERMAS scharfsinnig-pointierte
Überlegungen zur Funktion der Tolerant
vorgetragen. |
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2.0
Toleranz heute -
250 Jahre nach LESSING und MENDELSSOHN
1. |
Toleranz
ist die Duldung von unüberwindbaren
Differenzen in Fragen des Glaubens
oder grundsätzlicher Überzeugungen.
Ihr Gegensatz ist auf der einen
Seite Intoleranz, auf der anderen
aber auch eine Indifferenz, die
grundsätzliche Differenzen
aus Gleichgültigkeit vermischt.
|
2. |
Toleranz
wurde zuerst in Glaubensfragen
als Alternative zu wiederkehrenden
Ketzerverfolgungen und Religionskriegen
gefordert. Heute spricht man von
Toleranz, oder mindestens von
Intoleranz, gegenüber rassischen
oder angeblichen rassischen Minderheiten,
und vor allem gegenüber politischen
Gegnern. In jedem dieser drei
Fälle liegt das Problem verschieden.
|
3. |
Im
Lichte der rassischen und politischen
Verfolgungen unserer Zeit mag
es vielen so scheinen, als ob
die Erringung religiöser
Toleranz am leichtesten gewesen
sei. Tatsächlich war sie
von der Sache her die schwerste.
Wer glaubt, dass vom rechten Glauben
das Heil der unsterblichen Seele
abhängt, kann schwer tolerant
sein: Der christliche Würdenträger
im „Nathan", der die
Erziehung eines Christenkindes
in einem anderen Glauben als Verbrechen
ansieht, ist von seinem Dogma
aus konsequent - aber „Tut
nichts, der Jude wird verbrannt"
ist das Gegenteil von Toleranz.
Umgekehrt ist „Der echte
Ring vermutlich ging verloren"
das Bekenntnis Nathans, und LESSINGs,
zur Toleranz - aber es läuft
auf Indifferenz gegenüber
spezifischen Glaubensinhalten
zugunsten einer ethischen Weltfrömmigkeit
hinaus. Dies zeigt: Religiöse
Toleranz wurde erst möglich
im Maße, wie der ursprünglich
allen Religionen eigene Ausschließlichkeitsanspruch
aufgegeben und der spezifische
Glaubensinhalt dadurch geschwächt
wurde.
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4. |
Die
Abschwächung des religiösen
Glaubens hat Raum gelassen für
die Heilsverheißungen politischer
„Diesseitsreligionen",
die intoleranter sein können
als jeder Großinquisitor.
Unter ihnen nimmt die nationalsozialistische
„Rassenlehre" in unserer
Zeit schon durch ihre Millionen
von Opfern eine Sonderstellung
ein. Inhaltlich sollte die „Toleranz"
rassischer Verschiedenheiten die
leichteste und selbstverständlichste
sein, weil es sich gar nicht um
Überzeugungsfragen handelt:
Niemand sucht sich seine „Rasse",
also seine Herkunft oder Hautfarbe
aus. Aus der Rasse ein Kriterium
der Behandlung von Mitmenschen
zu machen, heißt diesen
für Eigenschaften, die sie
nicht frei gewählt haben,
die Menscheneigenschaft abzusprechen.
Daher der zoologische Charakter
alles Rassismus: Er ist die unmenschlichste
Form der Intoleranz.
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5. |
Die
komplexeste, vieldeutigste Lage
finden wir beim Problem der politischen
Toleranz, die im Zeitalter der
Demokratie und der totalitären
Massenbewegungen die allgemeinste
Bedeutung gewonnen hat. Toleranz
ist ein Lebenselement der Demokratie,
die ohne die bewusste Duldung
von Gegensätzen der Überzeugungen
entweder durch Intoleranz zerstört
oder durch Indifferenz ausgehöhlt
zu werden droht. Dagegen müssen
die organisierten Träger
totalitärer Diesseitsreligionen,
die glauben, dass von der Machtergreifung
und -behauptung das Heil der Menschheit
abhängt, notwendig intolerant
sein. Für sie rechtfertigt
der Kampf um das totalitäre
Heil auf dieser Erde und die Überwindung
eines teuflischen Allfeindes jedes
Verbrechen.
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6. |
Umgekehrt
müssen demokratische Regierungen
und Parteien davon ausgehen, dass
ihre Träger fehlbar sind.
Sie müssen schon deshalb
tolerant sein und den Menschen
im Gegner respektieren. Das gilt
im Kern auch für die Auseinandersetzung
mit dem Gegner der Demokratie
selbst: Auch ihn muss man zu überzeugen
suchen - was das Gegenteil von
bloßem, indifferentem Gewährenlassen
bedeutet - und auch ihn muss man
als Menschen respektieren - was
nicht heißt, dass man von
ihm gesetzwidrige Gewaltakte oder
die Aufforderung dazu dulden muss.
Demokratische Toleranz verpflichtet
zum Argument; sie schließt
Diffamierung des Gegners aus;
sie verpflichtet nicht zur Wehrlosigkeit
gegen Gewalt.
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3.0
Hoffen auf eine intensiver gelebte Toleranz
Nach einem Überblick, der Begriff
und Geschichte der Toleranz skizziert,
schreibt Ignatz BUBIS:
„Es ist für einen wie wir
in Freiheit lebenden Zeitgenossen am
Ende dieses ungeheuerlichen 20. Jahrhunderts
beinahe unmöglich geworden, die
Bedingungen und Mühseligkeiten
nachzuvollziehen, die zu seiner ihm
selbstverständlich erscheinenden
Freiheit geführt haben. Die religiös
bestimmte Entwicklungsgeschichte des
Toleranzgedankens mag dem heutzutage
betont weltlich gesinnten „Normalbürger"
aus dem Bewußtsein geschwunden
sein. Er genießt wie selbstverständlich
die Vorzüge eines freiheitlichen
und demokratischen Rechtsstaats und
tut gewiß recht daran.
Dennoch darf und muß in unserer
Zeit rasant zunehmender Individualisierung
der ethisch - und damit religiös
- begründete Hintergrund demokratischen
Seins und Handelns im öffentlichen
Gespräch gehalten werden. Die Väter
und Mütter des Grundgesetzes wußten
sehr wohl, auf welches Gelände
sie sich begaben, als sie ihrem (man
darf ruhig sagen: grandiosen) Werk das
Bewußtsein einer „Verantwortung
vor Gott und den Menschen" voranstellten.
Die Grundrechte der Handlungsfreiheit
der Freiheit der Person, der Gleichheit
vor dem Gesetz, der Glaubens-, Gewissens-
und Bekenntnisfreiheit, nicht zuletzt
der Meinungsfreiheit erwachsen alle
aus der unantastbaren Würde des
Menschen, dem Ebenbild seines Schöpfers.
Toleranz - die „Duldung",
die der Stärkere (der einzelne,
die Gruppe, der Staat) gegen den in
Religion, Weltanschauung, Abstammung,
Nationalität, Hautfarbe und Geschichte
anders gearteten Schwächeren übt
- stellt einen unverzichtbaren Grundwert
in einer demokratischen politischen
Gesellschaft dar. Von der Toleranzidee
führte eine gerade Linie zu den
politischen Forderungen der Emanzipation
und der Gleichberechtigung der Bürger.
Diese Linie setzte sich bis zum heute
(zumindest in der Theorie) beinahe universell
akzeptierten Katalog der Menschenrechte
fort.
Wenn wir also die Toleranz aus all diesen,
ich meine: guten, Gründen bejahen,
sollten wir auch darüber sprechen,
wie wir es mit der Intoleranz halten
sollten. Verdient die Unduldsamkeit
unsere Duldung? Haben diejenigen, die
anderen Menschen das Recht auf ein selbstdefiniertes
Dasein absprechen, sie gar als 'Volksfremde'
ausgrenzen, haben diese Gegner demokratischer
Verhältnisse ein grundgesetzlich
verbrieftes Anrecht auf Duldung? Müssen
wir sie gewähren lassen oder werden
wir selber intolerant, wenn wir uns
gegen sie stellen?
Ich meine, daß wir als Nutznießer
eines langen, oft tragischen Kampfes
um die Menschenrechte uns nicht von
den Feinden der Demokratie in die „Toleranz-Intoleranz-Falle"
locken lassen sollten. Natürlich
müssen bei der Abwehr der Intoleranz
- ganz gleich, in welcher intellektuell
noch so verbrämten Form sie daherkommt
- die Regeln unseres Rechtsstaats beachtet
werden. Doch keine dieser Regeln lautet:
Ihr sollt Euch alles gefallen lassen.
Darum verlangt richtig verstandene Toleranz
von uns auch ein entschiedenes Eintreten
für sie.
Der eigentliche Grundwert der Toleranz
für unsere demokratische politische
Gesellschaft besteht letztlich darin,
daß sie uns lehrt, vom Stadium
der beiläufigen Duldung ins Stadium
der selbstbewußten Bejahung des
anderen, unseres Nächsten, überzugehen.
Wir können nur hoffen, daß
uns eine neue, eine tiefer verstandene
und intensiver gelebte Toleranz erst
noch bevorsteht." |
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4.0
„Prinzipien der Toleranz" -
Definition der UNESCO Die
Mitgliedstaaten der UNESCO verabschiedeten
bei der 28. UNESCO-Generalkonferenz
in Paris (25. Oktober - 16. November
1995) eine Erklärung von
„Prinzipien der Toleranz",
die in Artikel 1 die Bedeutung von „Toleranz"
wie folgt definiert:
- „Toleranz bedeutet Respekt,
Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen
unserer Welt, unserer Ausdrucksformen
und Gestaltungsweisen unseres Menschseins
in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt.
Gefördert wird sie durch Wissen,
Offenheit, Kommunikation und durch
Freiheit des Denkens, der Gewissensentscheidung
und des Glaubens. Toleranz ist Harmonie
über Unterschiede hinweg. Sie
ist nicht nur moralische Verpflichtung,
sondern auch eine politische und rechtliche
Notwendigkeit. Toleranz ist eine Tugend,
die den Frieden ermöglicht, und
trägt dazu bei, den Kult des
Krieges durch eine Kultur des Friedens
zu überwinden.
- Toleranz ist nicht gleichbedeutend
mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht.
Toleranz ist vor allem eine aktive
Einstellung, die sich auf die Anerkennung
der allgemein gültigen Menschenrechte
und Grundfreiheiten anderer stützt.
Keinesfalls darf sie dazu missbraucht
werden, irgendwelche Einschränkungen
dieser Grundwerte zu rechtfertigen.
Toleranz muss geübt werden von
Einzelnen, von Gruppen und von Staaten.
(...)"
Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission:
„UNESCO heute", Nr. 11/1996,
Bonn, 1996, S. 143-145 |
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5.0
Toleranz - Rede am Vorabend des 9. November
2001 „Aus gegebenem Anlaß"
hat der Professor für Ethik Julian
NIDA- RÜMELIN, z.Zt. Staatsminister
für Kultur, im Rahmen der Mosse-Lectures
der Humboldt-Universität Berlin
am 8. November 2001 eine Rede mit dem
Titel
„Die offene Gesellschaft und ihre
Feinde" gehalten. Der 11.
September sei kein Menetekel des Konfliktes
o zwischen Erster und Dritter Welt,
o zwischen Christentum und Islam,
o zwischen Abendland und Morgenland,
sondern
ein Anschlag auf die offene Gesellschaft.
NIDA-RÜMELIN will den normativen
Kern der offenen Gesellschaft
herausarbeiten. Er beschreibt zunächst
deren Strukturmerkmale und entfaltet
daran anschließend ein Verständnis
von Toleranz, das die unterschiedlichen
Definitionsansätze erörtert.
Seine Überlegungen werden wie folgt
zusammengefasst. |
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5.1
Fünf Strukturelemente der offenen
Gesellschaft
-
Normativer Universalismus
Es gibt allgemeingültige ethische
Prinzipien, die mit einer Vielfalt
unterschiedlicher kultureller Prägung
vereinbar sind.
- Individualismus
Das Individuum, der einzelne Mensch
begründet die Legitimität
kollektiven und institutionellen Handelns.
- Die
politische Praxis ist zu Begründungen
verpflichtet.
Eine Politik, die Gründe anführt,
muss den partikularen Standpunkt verlassen.
Die Demokratie bietet ein Verfahren
der Entscheidungsfindung an, das Handeln
auch bei Dissens möglich macht
und den gesellschaftlichen Frieden
wahrt. Abstimmungen und Mehrheiten
entscheiden jedoch keine Wahrheitsfragen.
- Diskurs
und Argumentation sind öffentlich.
Begründungen richten sich an
alle, die Zweifel vorbringen. Das
Spannungsverhältnis zwischen
objektivem Begründungsanspruch
und pragmatischer Entscheidungsfindung
wäre unerträglich, wenn
es nicht den begleitenden Diskurs
gäbe. Erst die Bereitschaft,
sich auf das Sachargument auch dann
einzulassen, wenn es den persönlichen
oder den Parteiinteressen zuwiderläuft,
schafft das normative Fundament einer
demokratischen und zivilen Gesellschaft.
- Politische
Programme und Regelungen müssen
kontrolliert werden.
Wissenschaft und Demokratie beruhen
auf der Institutionalisierung von
Kritik In der Wissenschaft ermöglicht
sie neue Erkenntnisse, in der offenen
Gesellschaft zähmt sie die Machtansprüche
sowohl des Staates als auch der Religion.
Das alles sind Einsichten und Errungenschaften,
die im Anschluss an die Religionskriege
unter größten Opfern gewonnen
wurden und eine normative
Revolution ist. Ihr Kern, zugleich
die einzige Möglichkeit zum Frieden,
bestand darin, nicht
das existentiell Wichtige zu relativieren,
sondern Regeln des respektvollen Umgangs
zu befolgen. Nur so wurde Koexistenz
möglich.
Den Anfang der offenen Gesellschaft
bildete also eine Haltung des Respektes,
die tiefe kulturelle Unterschiede auszuhalten
gestattete. |
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5.2
Toleranz - ein interpretationsbedürftiger
Begriff Toleranz wird unterschiedlich
interpretiert. Das hat einerseits geschichtliche
Ursachen, andererseits folgt es aus
unterschiedlichen politischen Interessen
und Zielen. NIDA-RÜMELIN skizziert
die Entfaltung des Toleranz-Begriffes
wie folgt.
- Toleranz
als Zugeständnis des Herrschers
Im Sinne des Staatsverständnisses,
das Thomas HOBBES entwickelt hat.
kommt es für den Souverän
darauf an, den Krieg alles gegen alle
zu vermeiden. Er gewährt deswegen
Freiräume. Diese Form der Toleranz
dient dem eigenen Machterhalt, bleibt
jedoch gegenüber den religiösen,
moralischen und kulturellen Haltungen
der Individuen indifferent. Diese
Sicht der Toleranzproblematik gilt
als die „rechte" Variante.
- Toleranz
als Indifferenz
In der zeitgenössischen Diskussion
spielt eine andere Variante eine große
Rolle. Politisch gilt sie als „links",
philosophisch gesehen ist als "relativistisch"
zu würdigen. Danach gefährden
normative Wahrheitsansprüche
das friedliche Zusammenleben in einer
Demokratie. Den Glauben an universelle
normative Prinzipien müsse man
daher aufgeben. Toleranz wird so zu
Indifferenz. Ob ein moralisches Urteil
als richtig oder falsch anzusehen
sei, muss bei dieser Sichtweise offen
bleiben.
- Toleranz
als Empathie
Die relativistische Interpretation
bleibt unbefriedigend, weil sie das
Bedürfnis nach Maßstäben
des Handelns außer Betracht
lässt. Den Gegenpol zu relativistischen
Ansatz bildet daher eine Denkrichtung,
die unterstellt, dass eine Gemeinschaft
von Bürgern durch eine einheitliche
Wertorientierung zusammengehalten
werde und es einen Gemeinwillen gebe.
Die Individuen trügen zwar als
Privatpersonen ihre Differenzen aus,
aber nicht als Bürger eines Gemeinwesens.
Vor dem Hintergrund eines hohen Maßes
gemeinsam geteilter Einstellungen
wird Toleranz zu der Fähigkeit,
sich in das jeweils andere Individuum
hineinzuversetzen - mithin zu Empathie.
Dieser Ansatz enthält eine zentrale
Schwäche. Er nötigt zur
Einebnung von Differenzen, er zielt
auf Assimilation und Homogenität.
Allein in Blick auf die multikulturellen
Staaten des Balkans genügt, um
die Grenze dieser Form von Toleranz
zu erkennen. Im globalen Maßstab
gibt es erst recht nicht den Gemeinwillen,
den diese Konzeption voraussetzt.
Wenn umgekehrt das Nebeneinander authentischer
Kulturen einschließlich gesellschaftlicher
Trennung für richtig erklärt
wird, gibt es auch keine befriedigende
Antwort, worin Toleranz bestehe, denn
was verbindet Parallelgesellschaften
miteinander?
Aus dieser Übersicht folgt, dass
Toleranz weder als Indifferenz noch
als Empathie tragfähige Lösungen
bieten. Also muss eine andere Lösung
gefunden werden. NIDA-RÜMELIN entwickelt
sie in folgendem Gedanken. |
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5.3
Toleranz als Respekt Toleranz
als normative Grundhaltung einer offenen
Gesellschaft kann und muss in Toleranz
aus Respekt bestehen. Eine Zivilgesellschaft
gründet auf Kooperation und kann
nur stabil sein, wenn die Menschen die
Interessen und kulturellen Prägungen
der anderen respektieren. Weder werden
in diesem Verständnis von Toleranz
die jeweils existentiell wichtigen Wertvorstellungen
aufgegeben, noch muss man sich in die
der anderen einfühlen können.
Vielmehr
kommt es darauf an, sich auf diejenigen
Regeln zu verständigen, die über
alle Unterschiede hinweg akzeptabel
sind.
Die Grundidee besteht darin, dass sich
aus den in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen
moralischen Überzeugungen der Menschen
ein gemeinsamer
normativer Kern gewinnen lasse.
Aus der Systematisierung ergeben sich
dann minimale,
aber allgemeingültige normative
Prinzipien.
Universelle normative Ansprüche
sind mit einer Pluralität von Lebensformen
vereinbar.
Der normative Minimalkonsens besteht
in dem Respekt für die Autonomie
und Integrität anderer Menschen.
Dieser Kern trägt die abstrakten
universellen Prinzipien. Die Menschenrechte,
ein zentrales Paradigma, bauen auf der
fundamentalen - „Grund legenden"
Haltung - des Respekts auf.
Das
eröffnet Chancen für eine
offene und zivile Weltgesellschaft.
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5.4
Würdigung Der Vorzug der
dargestellten Position beruht darauf,
dass tragfähige Elemente der beiden
Denkrichtungen verbunden werden, ohne
sie dabei in idealtypischer Reinheit
durchzusetzen. Dennoch sieht der Verfasser
der Bausteine im Anschluss an die hier
referierte Position Anlass zu einer
Anmerkung.
Toleranz ist nicht nur eine Verpflichtung
für die einen, sondern auch
ein Angebot
an die anderen. Was, wenn das
Angebot nicht angenommen wird? Wie der
Islamwissenschaftler Rainer
GLAGOW (Tagesspiegel vom 17.
November 2001) darlegt, wird vom Islam
die „Einheit
von Religion, Gesetz, Staat und Politik"
vorgegeben. Der Koran gelte,
im Gegensatz zur Bibel der Christen,
als das ewige, „unerschaffene
Wort Allahs", also als sein wesensimmanenter
Wille.
Danach sind die Grundprinzipien des
Islam jedwedem Wandel entzogen. Sollte
sich dieser orthodoxe Anspruch durchsetzen,
müsste daran auch das klügste
und nobelste Verständnis von Toleranz
zerschellen.
Doch gibt es auch islamische Stimmen,
die sich ähnlich wie NIDA-RÜMELIN
äußern.
Prinz Hassan BIN TALAL von Jordanien,
der Präsident des Club of Rome,
schreibt (Frankfurter Allgemeine Zeitung
Nr. 262 vom 10. November 2001):
„Wir werden daran arbeiten, unsere
gemeinsamen Werte zu integrieren, Veränderungen
zum Besseren auf den Weg zu bringen
und die Neigung zum Guten zu bestärken
- zum wechselseitigen gesicherten Überleben."
Und er fügt hinzu:
„Der
Schlüssel zur Freiheit ist Erziehung".
Im Übrigen schlägt er vor,
ein Parlament der Kulturen zu schaffen,
wie es von Yehudi
MENUHIN vorgeschlagen worden
ist.
„Wir müssen zum Kern des
Konflikts vorstoßen. Die Geschichte
zeigt, daß es immer Fortschritt
geben wird, wenn die Risiken rechtzeitig
erkannt werden."
Der libanesische Dichter und Journalist
Abba
BAYDOUN schreibt unter der Überschrift
„Unser Wahn" (Frankfurter
Allgemeine Zeitung Nr. 261 vom 9. November
2001):
„Der Westen war es, der eine
ethische und kulturelle Wertordnung
entwickelt hat, welche die Minderheiten
anerkennt und die westlichen Maßstäbe
und den Eurozentrismus kritisiert. Wir
hingegen haben allzu oft den Sieg der
Einheit und Gleichmacherei über
die Vielfalt und Meinungsverschiedenheit
gebilligt, wir haben geschwiegen, als
große Minderheiten bei uns unterdrückt
wurden, und nie die Verantwortung für
tatsächliche Massenmorde übernommen.
Allzu oft können wir immer noch
nicht unterscheiden zwischen Kultur
und Fanatismus, zwischen Dünkel
und begründeter Meinung." |
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6.0
„Wann müssen wir tolerant sein?"
Diese Frage hat Jürgen
HABERMAS am 29. Juni 2002 in
seinem Festvortrag mit dem Titel
„Über
die Konkurrenz von Weltbildern, Werten
und Theorien"
zum Leibniztag der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften erörtert.
Seine Überlegungen zeichnen sich
durch analytische Schärfe und begriffliche
Genauigkeit aus und unterscheiden sich
dadurch von einem eher pathetisch-appellativen,
dabei diffusen Begriffsverständnis,
wie es vielfach anzutreffen ist. Sie
werden hier in Thesenform zusammengefasst
und vorgestellt. |
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6.1
Begriff und Funktion der Toleranz
Angesichts der politischen Entwicklung
stellt sich der Konsenstheoretiker HABERMAS
die Frage:
Wie kann mit
„nicht verhandelbaren"
Geltungsansprüchen konstruktiv
umgegangen werden?
Einerseits
dürfe der Gedanke an eine universelle
Verhandelbarkeit nicht preisgegeben
werden.
Andererseits
müsse verhindert werden, dass die
Bürger sich wegen ihrer verschiedenen
Glaubensansprüche die Köpfe
einschlagen - so Christian
GEYER.
HABERMAS beantwortet sie mit einer
im Vergleich zu anderen, z.T. auch auf
dieser Webseite vorgestellten Positionen
mit einem eng gefassten und geradezu
schroff wirkenden Verständnis von
Toleranz.
Religiöse
Toleranz hat die Funktion, die gesellschaftliche
Destruktivität eines nicht-verhandelbaren
- also unversöhnlich fortbestehenden
- Dissenses aufzufangen. Das soziale
Band, welches Gläubige mit Andersgläubigen
und Ungläubigen als Mitgliedern
derselben säkularen Gesellschaft
verbindet, soll nicht reißen.
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6.2
Die Kernpunkte der Argumentation
- Toleranz wurde im 16. Jahrhundert
zunächst als Duldsamkeit gegenüber
anderen religiösen Bekenntnissen
verstanden. Im 17. Jahrhundert wurde
Toleranz zum Rechtsbegriff. Aus dem
obrigkeitlichen Rechtsakt der Toleranz
folgte die Zumutung für die Menschen,
sich gegenüber den Angehörigen
eines bis dahin unterdrückten
Religionsgemeinschaft tolerant zu
verhalten. Damit wird eine Entwicklung
eingeleitet, in deren Verlauf die
bloße Duldung zu einem Recht
auf freie Religionsausübung wird
und sich Bekenntnisfreiheit schließlich
zu einem Grundrecht verfestigt.
- Schon Pierre BAYLE (1647-1706, französischer
Aufklärer und Polyhistor) fordert
mittels plastischer Beispiele, die
Perspektive das Anderen einzunehmen
und die eigenen Maßstäbe
auch dem Denken der Gegenseite zuzugestehen.
Die gegen- und wechselseitige Anerkennung
von Regeln toleranten Umgangs hebt
den einseitig autoritären Charakter
der Toleranz auf und macht sie symmetrisch
- nimmt ihr mithin den Stachel der
Intoleranz. "Auf tolerante Weise
kann religiöse Toleranz genau
unter den Bedingungen garantiert werden,
unter denen sich Bürger eines
demokratischen Gemeinwesens Religionsfreiheit
gegenseitig einräumen."
- Religiöse Toleranz als das
Urbild der Toleranz ist inzwischen
zur Toleranz gegenüber Andersdenkenden
überhaupt verallgemeinert worden.
Der religiöse Ursprung hat nicht
nur historische, sondern auch systematische
Bedeutung, weil er an den Begriff
der
„durch Überzeugung gestützten
Ablehnung" erinnert. „Toleranz
können wir nur gegenüber
einer aus guten
subjektiven Gründen abgelehnten
Überzeugung üben."
Mithin darf Toleranz nicht mit Indifferenz
oder gar Wertschätzung gegenüber
anderen Auffassungen verwechselt werden.
Sie besteht nicht darin, Vorurteile
hinzunehmen. Sie beschränkt sich
auch nicht auf Tugenden des zivilen
Umgangs wie die Fähigkeit zu
Zusammenarbeit und Kompromiss, zu
Fairness und kluger Interessenabwägung.
Die politische Tugend der Toleranz
ist erst dann gefragt, wenn die Beteiligten
ihren eigenen Wahrheitsanspruch im
Konflikt mit dem Wahrheitsanspruch
eines Anderen als „nicht verhandelbar"
betrachten, aber den fortbestehenden
Dissenses dahingestellt sein lassen,
um auf der Ebene des politischen Zusammenlebens
eine gemeinsame Basis des Umgangs
aufrechtzuerhalten.
- Was wird einer toleranten Person
zugemutet - was genau muss sie "ertragen"?
Um diese Frage zu klären, vergleicht
HABERMAS den Idealtypus des Wissenschaftlers
mit dem des Theologen. Wissenschaftler
suchen nach einer noch nicht entdeckten,
also
in der Zukunft liegenden Wahrheit.
Hingegen Theologen
sind Interpreten einer
in der Vergangenheit offenbar
gemachten und nicht revisionsfähigen
Wahrheit, die sich gegen konkurrierende
Glaubenswahrheiten mit guten Gründen
verteidigen lässt. Ihr Anspruch
auf Irrtumslosigkeit bildet sich darin
ab, dass für den Gläubigen
Wahrheit und Gewissheit identisch
sind.
- Eine tolerante Einstellung hält
- über einen fortbestehenden
religiösen oder weltanschaulichen
Dissens hinweg - zur Achtung der Person
des Andersgläubigen und Andersdenkenden
als eines gleichberechtigten Mitbürgers
an. Dabei ist Toleranz an eine wichtige
Voraussetzung gebunden: Für
die Ablehnung konkurrierender Geltungsansprüche
muss es legitime Gründe geben.
Damit ist eine weitere Voraussetzung
verknüpft. Toleranz kommt erst
dann in Betracht,
wenn alle Vorurteile beseitigt sind,
aufgrund deren eine Minderheit diskriminiert
worden ist. Der egalitär-universalistische
Maßstab der staatsbürgerlichen
Gleichheit verlangt sowohl Gleichbehandlung
wie auch die gegenseitige Anerkennung
als "ebenbürtiger"
oder "vollwertiger" Mitglieder
des politischen Gemeinwesens.
- Nach Fortfall aller Vorurteile gibt
es keinen Sachverhalt mehr, der eine
Ablehnung der jeweils anderen Auffassungen
rechtfertigen könnte. Dennoch
und gerade deswegen ist Toleranz erforderlich
und mutet sie gleichzeitig dem anderen
eine Bürde zu.
Toleranz lässt die eigenen Wahrheitsansprüche
und Gewissheiten unberührt, doch
sie schränkt deren Wirksamkeit
in der Lebenswirklichkeit ein. Nur
innerhalb der Grenzen, die durch die
Norm der vollständigen und gleichmäßigen
Inklusion aller Bürger gezogen
sind, sollen sie sich auswirken können.
Die von der eigenen Religion vorgeschriebene
Lebensweise oder das dem eigenen Weltbild
eingeschriebene Ethos dürfen
einzig
unter der Bedingung gleicher Rechte
für jedermann realisiert
werden.
Den Anspruch auf umfassende Lebensgestaltung
muss eine Religion aufgeben, sobald
sich in pluralistischen Gesellschaften
das Leben der religiösen Gemeinde
vom Leben des größeren
politischen Gemeinwesens differenziert.
- Für den Gläubigen besteht
die ihm zugemutete Toleranz freilich
nicht nur darin, das eigene Ethos
nur innerhalb der Grenzen der staatsbürgerlichen
Gleichheitsnormen verwirklichen zu
dürfen. Er
muss auch das Ethos der Anderen in
diesen Grenzen respektieren.
Denn sobald die eigene Vorstellung
vom richtigen Leben durch einen allgemeinverbindlichen
Begriff des Guten oder des Heils bestimmt
ist, erscheinen andere Lebensweisen
nicht
nur als anders, sondern als verfehlt.
Wenn das fremde Ethos nicht nur eine
Frage der Wertschätzung, sondern
vielmehr eine von
Wahrheit oder Unwahrheit ist,
mutet die Forderung, jedem Bürger
ungeachtet des eigenen ethischen Selbstverständnisses
und der eigenen Lebensführung
die gleiche Achtung entgegenzubringen,
zugleich auch zu, sich mit dem eigenen
ethischen Urteil praktisch zurückzuhalten.
Wer sein eigenes Leben nach ethischen
Wahrheiten richtet, für
den ruft die Begegnung mit Lebensweisen,
in denen sich konkurrierende Überzeugungen
verkörpern, eine Ablehnung hervor,
die Toleranz nötig macht.
Ein säkularer Geist hingegen
kann, selbst wenn er sich zum Pluralismus
der Weltbilder nicht indifferent verhält,
zum Pluralismus der Lebensweisen ein
entspanntes Verhältnis unterhalten,
denn dann verkörpern sich darin
verschiedene Wertorientierungen, nicht
verschiedene Wahrheiten, die einander
ausschließen. Für ihn enthält
der Pluralismus gleichberechtigter
Lebensweisen keine Provokation. Ihm
fällt es auch nicht schwer anzuerkennen,
dass ein fremdes Ethos für den
anderen dieselbe Authentizität
hat und denselben Vorrang genießt
wie das eigene Ethos für einen
selbst. Genau diese Konsequenz wird
jedoch demjenigen schwerer fallen,
der sein ethisches Selbstverständnis
aus Glaubenswahrheiten gewinnt, die
universale Geltung beanspruchen.
- Der Pluralismus der Lebensweisen
lässt sich freilich nicht vom
Pluralismus der Weltanschauungen trennen.
Nicht nur der Pluralismus der Weltanschauungen
macht Toleranz erforderlich. Das gilt
auch für den Pluralismus von
starken identitätsprägenden
sprachlichen und kulturellen Lebensformen.
Aufgrund ihres komplexen Gehaltes
können sie eine Beurteilung nicht
allein im Hinblick auf ihre existenzielle
Bedeutung, sondern auch auf die Geltung
von Wahrheit und Richtigkeit herausfordern.
Sie finden den vollständigen
Text der Rede unter der Adresse
http://www.bbaw.de/schein/habermas.html
Eine lesenswerte Rezension der Rede
HABERMAS' hat Christian
GEYER geschrieben (Frankfurter
Allgemeine Zeitung Nr. 150 vom 2. Juli
2002, S. 37; http://afaz.gbi.de).
Interesse verdienen auch die Überlegungen
von Jutta
IMBACH;, ehemals Präsidentin
des Bundesverfassungsgerichts.
„Das Prinzip Toleranz"
(DIE ZEIT vom 25. April 2002). Sie finden
sie unter der Adresse
http://www.zeit.de/reden/Bildung_und_
Kultur/bellevue_limbach_200217.html
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7.0
Literaturnachweis Aus praktischen
Gründen werden alle Literaturnachweise
dieses thematischen Bereiches auf der
Webseite
„Werte-Erziehung - Literaturgrundlage"
zusammengefasst. Das entlastet die einzelne
Webseite und vermeidet Wiederholungen.
Um nachzulesen, klicken Sie hier: Literaturnachweise
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Quelle Berliner
Bildungsserver http://bebis.cidsnet.de/
bzw. http://www.bebis.be.schule.de/ |
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Die Mitgliedstaaten der Organisation
der Vereinten Nationen für Bildung,
Wissenschaft, Kultur und Kommunikation
verabschieden und proklamieren
feierlich bei der 28. UNESCO-Generalkonferenz
(Paris, 25. Oktober bis 16. November
1995) die folgende
Erklärung von Prinzipien der Toleranz
Entschlossen, alle positiven
Schritte zu unternehmen, die
notwendig sind, um den Gedanken
der Toleranz in unseren Gesellschaften
zu verbreiten - denn Toleranz
ist nicht nur ein hochgeschätztes
Prinzip, sondern eine notwendige
Voraussetzung für den Frieden
und für die wirtschaftliche
und soziale Entwicklung aller
Völker,
erklären
wir:
Artikel
1: Bedeutung von 'Toleranz'
1.1 Toleranz bedeutet Respekt,
Akzeptanz und Anerkennung der
Kulturen unserer Welt, unserer
Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen
unseres Menschseins in all ihrem
Reichtum und ihrer Vielfalt.
Gefördert wird sie durch Wissen,
Offenheit, Kommunikation und
durch Freiheit des Denkens,
der Gewissensentscheidung und
des Glaubens. Toleranz ist Harmonie
über Unterschiede hinweg. Sie
ist nicht nur moralische Verpflichtung,
sondern auch eine politische
und rechtliche Notwendigkeit.
Toleranz ist eine Tugend, die
den Frieden ermöglicht, und
trägt dazu bei, den Kult des
Krieges durch eine Kultur des
Friedens zu überwinden.
1.2 Toleranz ist nicht gleichbedeutend
mit Nachgeben, Herablassung
oder Nachsicht. Toleranz ist
vor allem eine aktive Einstellung,
die sich stützt auf die Anerkennung
der allgemeingültigen Menschenrechte
und Grundfreiheiten anderer.
Keinesfalls darf sie dazu mißbraucht
werden, irgendwelche Einschränkungen
dieser Grundwerte zu rechtfertigen.
Toleranz muß geübt werden von
einzelnen, von Gruppen und von
Staaten.
1.3 Toleranz ist der Schlußstein,
der die Menschenrechte, den
Pluralismus (auch den kulturellen
Pluralismus), die Demokratie
und den Rechtsstaat zusammenhält.
Sie schließt die Zurückweisung
jeglichen Dogmatismus und Absolutismus
ein und bekräftigt die in den
internationalen Menschenrechtsdokumenten
formulierten Normen.
1.4 In Übereinstimmung mit
der Achtung der Menschenrechte
bedeutet praktizierte Toleranz
weder das Tolerieren sozialen
Unrechts noch die Aufgabe oder
Schwächung der eigenen Überzeugungen.
Sie bedeutet für jeden einzelnen
Freiheit der Wahl seiner Überzeugungen,
aber gleichzeitig auch Anerkennung
der gleichen Wahlfreiheit für
die anderen. Toleranz bedeutet
die Anerkennung der Tatsache,
daß alle Menschen, natürlich
mit allen Unterschieden ihrer
Erscheinungsform, Situation,
Sprache, Verhaltensweisen und
Werte, das Recht haben, in Frieden
zu leben und so zu bleiben,
wie sie sind. Dazu gehört auch,
daß die eigenen Ansichten anderen
nicht aufgezwungen werden dürfen.
Artikel
2: Toleranz und der Staat
2.1 Toleranz auf der Ebene
staatlichen Handelns erfordert
Gerechtigkeit und Unparteilichkeit
in der Gesetzgebung, bei der
Anwendung der Gesetze sowie
in Justiz und Verwaltung. Sie
erfordert auch, daß wirtschaftliche
und soziale Chancen jeder einzelnen
Person ohne Unterschied zuteil
werden. Ausgrenzung und Randständigkeit
können Frustration, Feindseligkeit
und Fanatismus zur Folge haben.
2.2 Auf dem Weg zu einer toleranteren
Gesellschaft sollten Staaten
die vorhandenen internationalen
Menschenrechtskonventionen ratifizieren
und neue Gesetze erlassen, soweit
dies erforderlich ist zur Sicherstellung
von Gleichbehandlung und Chancengleichheit
für alle Gruppen und Individuen
in der Gesellschaft.
2.3 Für ein harmonisches internationales
Zusammenleben ist es wesentlich,
daß einzelne, Gemeinschaften
und Nationen den multikulturellen
Charakter der Menschheit anerkennen
und respektieren. Ohne Toleranz
gibt es keinen Frieden, und
ohne Frieden kann es weder Demokratie
noch Entwicklung geben.
2.4 Intoleranz zeigt sich oft
in Form von Marginalisierung
schutzloser Gruppen und ihrer
Ausgrenzung von sozialer und
politischer Partizipation, verbunden
mit Gewalt und Diskriminierung.
Nach den Bestimmungen der Erklärung
über Rasse und Rassenvorurteile
"haben alle Personen und Gruppen
das Recht, verschieden zu sein"
(UNESCO-Rassendeklaration vom
27.11.1978, Artikel 1.2).
Artikel
3: Soziale Dimensionen
3.1 In der heutigen Welt ist
Toleranz wichtiger als jemals
zuvor. Diese Epoche ist gekennzeichnet
durch Globalisierung der Wirtschaft
und durch schnell zunehmende
Mobilität, Kommunikation, Integration
und Interdependenz, gewaltige
Wanderungsbewegungen und Vertreibung
ganzer Bevölkerungen, Verstädterung
und Wandel sozialer Muster.
Da jeder Teil der Welt das Merkmal
der Vielfalt trägt, bedrohen
zunehmende Intoleranz und Zwietracht
potentiell jede Region. Sie
sind nicht begrenzt auf einzelne
Länder, sondern eine globale
Gefahr.
3.2 Toleranz ist notwendig
zwischen einzelnen wie in Familie
und Gemeinschaft. Toleranz und
Offenheit, die Fähigkeit zum
Zuhören und Solidarität sollten
vermittelt werden in Schulen
und Universitäten wie in außerschulischer
Bildung, zu Hause und am Arbeitsplatz.
Die Massenmedien können eine
konstruktive Rolle spielen,
indem sie Räume schaffen für
freien und offenen Dialog und
Diskussion, die Werte der Toleranz
verbreiten und hinweisen auf
die Gefahren der Indifferenz
gegenüber der Ausbreitung intoleranter
Gruppen und Ideologien.
3.3 Wie schon die UNESCO-Rassendeklaration
bekräftigt, müssen, wo immer
nötig, Maßnahmen zur Sicherung
von Gleichheit in Würde und
der Rechte einzelner oder ganzer
Gruppen ergriffen werden. Dabei
sollten sozial oder wirtschaftlich
benachteiligte und deshalb besonders
gefährdete Gruppen besondere
Beachtung finden durch Schutzgarantien
der geltenden Gesetze und Sozialhilfemaßnahmen,
insbesondere in den Bereichen
Wohnung, Arbeit und Gesundheit,
durch Achtung der Authentizität
ihrer Kultur und ihrer Werte
und - insbesondere über Bildungsmaßnahmen
- durch Förderung ihrer sozialen
und beruflichen Entwicklung
und Integration.
3.4 Zur Koordination der Antwort
der internationalen Gemeinschaft
auf diese globale Herausforderung
sollten die erforderlichen wissenschaftlichen
Studien betrieben und Netzwerke
aufgebaut werden, einschließlich
sozialwissenschaftlicher Erkundung
der tieferen Ursachen und wirksamer
Gegenmaßnahmen sowie Begleitforschung
zur Politik und Gesetzgebung
der Mitgliedstaaten.
Artikel
4: Bildung und Erziehung
4.1 Bildung ist das wirksamste
Mittel gegen Intoleranz. Der
erste Schritt bei der Vermittlung
von Toleranz ist die Unterrichtung
des einzelnen Menschen über
seine Rechte und Freiheiten
und die damit verbundenen Ansprüche
sowie die Herausbildung des
Willens zum Schutz der Rechte
und Freiheiten anderer Menschen.
4.2 Erziehung zur Toleranz
gehört zu den vordringlichsten
Bildungszielen. Deshalb ist
es notwendig, für den Unterricht
zum Thema Toleranz systematische
und rationale Lehrmethoden zu
verbreiten, die aufklären über
die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen,
politischen und religiösen Wurzeln
von Intoleranz - und damit über
die tieferen Ursachen von Gewalt
und Ausgrenzung. Bildungspolitik
und Lehrpläne sollen ihren Beitrag
leisten zur Verständigung, Solidarität
und Toleranz zwischen Individuen
ebenso wie zwischen ethnischen,
sozialen, kulturellen, religiösen
oder Sprachgruppen und zwischen
den Nationen.
4.3 Erziehung zur Toleranz
soll sich bemühen, das Entstehen
von Angst vor anderen und der
damit verbundenen Ausgrenzungstendenz
zu verhindern. Sie soll jungen
Menschen bei der Ausbildung
ihrer Fähigkeit zur unabhängigen
Wertung, zum kritischen Denken
und zur moralischen Urteilskraft
helfen.
4.4 Wir verpflichten uns zur
Unterstützung und zur Umsetzung
von sozialwissenschaftlichen
Forschungsprogrammen und von
Lehrplänen zu den Themen Toleranz,
Menschenrechte und Gewaltlosigkeit.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen
deshalb die Verbesserung der
Lehrerausbildung, der Lehrpläne,
der Unterrichtsinhalte und Lehrbücher
sowie anderer Lehrmaterialien
einschließlich der neuen Unterrichtstechnologien.
Ziel ist die Ausbildung solidarisch
und verantwortlich denkender
Bürger, die offen sind für andere
Kulturen, die den Wert der Freiheit
schätzen, die die Menschenwürde
ebenso wie zwischenmenschliche
Unterschiede achten und die
in der Lage sind, Konflikte
zu vermeiden oder sie gewaltfrei
zu lösen.
Artikel
5: Verpflichtung zum Handeln
Wir verpflichten uns zur Förderung
von Toleranz und Gewaltlosigkeit
durch Programme und Institutionen
in den Bereichen Bildung, Wissenschaft,
Kultur und Kommunikation.
Artikel
6: Internationaler Tag für Toleranz
Mit dem Ziel, Problembewußtsein
in der Öffentlichkeit zu wecken,
die Gefahren der Intoleranz
deutlich zu machen und unser
tätiges Engagement zu bekräftigen,
proklamieren wir feierlich den
16. November zum Internationalen
Tag für Toleranz.
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Ideologie |
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Was
bedeutet Ideologie? Im Hinterkopf hat
jeder so seine Vorstellung oder seine
„Ideen“. Wächst aber
nun der Wunsch auf diese Frage eine
präzise Antwort zu bekommen, wird
beim Durchforsten von Literatur über
dieses Thema bald die Erkenntnis zutage
treten, dass die Findung einer klaren
Definition, wenn überhaupt, nur
tendenziell und durch das eigene Bewusstsein
erlangt werden wird. Eine Eingrenzung
bzw. Eingliederung der persönlichen
Vorstellungen in einen Rahmen von mehr
oder weniger maßgeblichen Gegebenheiten.
Die Semantik zu diesem Begriff erforderte
demnach immer auch noch zusätzlich
eine ergänzende Erklärung.
Christian
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Einige
Aspekte zum Thema Ideologie:
Ideologie
"Lehre von den Ideen"; System
von Überzeugungen, Vorstellungen
und Begriffen, in denen das Interesse
einer bestimmten sozialen Gruppe (Kaste,
Klasse, Schicht, Stand) zum Ausdruck
kommt.
Ideologien
werden zur Durchsetzung eines Machtanspruchs
aufgebaut und entsprechen nicht unbedingt
der Realität.
Die Ideologiekritik
zeigt die Zusammenhänge zwischen
den Interessenlagen von Gruppen und
den von ihnen vertretenen Ideologien.
Bei allen gesellschaftlichen
Gruppen, die eine undemokratische Machtposition
behaupten, stellt sich der Ideologieverdacht,
die Vermutung, dass ihre Aussagen mehr
von Interessen als von "Wahrheitsliebe"
getragen werden.
Ideologie
[Neubildung, griechisch, französisch,
Ideenlehre]
eine auf gr. idea, Erscheinung, und
logos, Wort, zurückgreifende Neuprägung,
die um 1800 in Frankreich entstand.
Ideologie
Der Begriff lässt sich nicht knapp
und eindeutig definieren; er subsumiert
eine Reihe verwandter, aber nicht immer
miteinander zu vereinbarender Bedeutungen.
Ideologie
ist eine Art und Weise, die Welt zu
betrachten und zu interpretieren –
sie zu „leben“.
Grundsätzlich, darüber ist
man sich weitestgehend einig, bezieht
sich der Begriff, wie er heute verwendet
wird, auf ein System von Ideen.
Ideologien
werden kollektiv vertreten; ein ganz
persönliches Wertsystem wird man
in der Regel nicht als Ideologie bezeichnen.
Eine Ideologie
kann auch einander widersprechende Elemente
vereinen, wenn dies so geschieht, dass
den Menschen, die die Ideologie leben,
diese Widersprüche verborgen bleiben.
Ideologie
im allgemeinen Sinn: ist nicht Wissenschaft,
die einen persönlichen Wahrheitssinn
voraussetzt, sondern gehört zum
unpersönlichen Denken. Sie ist
eine späte Erscheinung.
Die Ideologie
ist keine ideelle Fortsetzung der Wissenschaft,
setzt aber die Existenz der realen Wissenschaft
in der Reihenfolge Märchen, Mythos,
Wissenschaft, Ideologie voraus.
Anders als früher
muss der heutige Mensch für seine
politische Ordnung Rechenschaft ablegen,
tut dies aber recht unvollkommen, eben
als Ideologie.“
Politische
Ideologien
Man unterscheidet zwischen wertfreier
und abwertender Verwendungen des Wortes
Ideologie.
Bei beiden Deutungen scheint man im
allgemeinen zu erkennen oder zu fühlen,
was gemeint ist, dennoch wird die Vielfalt
der Auslegungsmöglichkeiten deutlich.
Die herrschenden Klassen
haben immer über mehrere Ideologien
verfügt, die auf mehrere Zielgruppen
gerichtet waren.
Ideologie
Wertfrei :
ein System von Vorstellungen und Meinungen
über Staat und Gesellschaft, das
eine größere Gruppe von Menschen
als richtig und bestimmend für
ihr politisches Handeln anerkennt.
Gemäß einer wertneutralen,
erkenntnistheoretischen Definition ist
Ideologie ein geschlossenes Gedankensystem.
Karl Mannheim und Max Weber haben eine
positivistisch-wertfreie ideologiekritische
Theorie entwickelt.
Ideologie
Abwertend:
ein weltfremdes, wirklichkeitsfernes,
rein theoretisches Denken über
politische Fragen, bzw. eine Lehre oder
Theorie, die im Gewand objektiver Erkenntnis
auftritt, tatsächlich aber bestimmte
soziale Gegebenheiten, zum Beispiel
die Interessen einer Gesellschaftsschicht,
rechtfertigen soll.
In ihren Frühschriften,
insbesondere der Deutschen Ideologie
(1845/6), entwickeln Karl Marx / Friedrich
Engels ein Konzept von Ideologie als
'falschen', das heißt der (ökonomischen)
Realität nicht entsprechenden Bewusstseinsformen,
welche die Individuen über sich
und ihre Lebensverhältnisse täuschen
(diese verschleiern), ihre politische
Kraft lähmen und damit faktisch
die Macht der jeweils herrschenden Klasse
stützen. Diesen Zusammenhang zu
durchschauen, anzuprangern (und damit
auch schon politisch zu bekämpfen)
heißt im Sinne von Marx und Engels
dann Ideologiekritik betreiben.
Beim Gebrauch des Wortes
ist dessen negativ behaftete Deutung
stets möglich, was zur Folge hat
dass die Verwendung fast ausschließlich
in der abwertenden Form und für
„Andere“ gebrauch findet.
Ausgenommen der Kommunismus, der sich
selbst als die einzig wahre (wertfreie)
Ideologie bezeichnet.
Ideologie,
wurde ursprünglich eine neutrale
Bezeichnung einer Wissenschaftsdisziplin
genannt.
Ideologie
– Sprache
Aufgrund einer «archaischen Identifizierungslogik»
sind bestimmte Außenmerkmale oder
Sekundärtugenden für den Ideologen
von besonderer Wichtigkeit, so hat auch
die Sprache für ihn eine spezifische,
eigenartig verschrobene Bedeutung. Dabei
sind die Wörter wegen des typischen
pathologischen Verdinglichungsprozesses,
in dem sich die Verstiegenheit und der
Verlust an Unmittelbarkeit beim Ideologen
ausdrückt, mehr als bloße
Objekt-Repräsentanzen.
Für Außenstehende haben sie
oftmals den Charakter von Leerformeln,
für den Ideologen selber hingegen
werden sie zu Objekten der Wirklichkeit
selber (Wortfetischismus). Anders formuliert:
der Ideologe geht mit der Sprache um,
als würde sie nicht auf die Wirklichkeit
hinweisen, sondern als wäre sie
die Wirklichkeit selber (Begriffsessentialismus,
Begriffsfetischismus).
(Interpretation dieser Interpretation:
für Ideologen sind Äußerlichkeiten
wichtig, besonders die sprachlichen
Ausdrucksformen – und sie glauben
auch noch was sie sagen! chrisli)
Ideologiekritik
Ideloogiekritik versteht sich heute
als Kritik der gesellschaftlichen Prämissen.
Nach R. Ulshöfer will sie den Empfänger
von Texten (jeder Art) gegenüber
allen Denksystemen kritisch machen.”
Mit der Forderung H. Ides nach der Erziehung
zum «Kritischen Lesen» tritt
die Ideologiekritik in den Vordergrund
der Textinterpretation.
Parsons
Definition Ideologie ein System
von Ideen, Meinungen, Einstellungen
und Werten das sich innerhalb sozialer
Gruppen bildet und dazu dient, das eigene
Handeln zu legitimieren und fremdes
Handeln zu beurteilen
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