Politische Perspektiven:
III.5. Gleichstellung der Frauen als demokratisches Ziel -Partnerschaft der Geschlechter in einer Gesellschaft der Chancen

(1) Es bleibt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein zentrales Ziel, die gesellschaftlichen Bedingungen so zu gestalten, daß Frauen und Männer dieselben Chancen und Möglichkeiten haben. Frauen werden noch immer individuelle, soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklungschancen verwehrt.

(2) Die strukturell bedingte Benachteiligung von Frauen muß durch aktive Gleichstellungspolitik konsequent abgebaut und schließlich beseitigt werden. Aktive Gleichstellungspolitik bedeutet gerechte Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Macht zwischen Männern und Frauen.
- Umverteilung von Arbeit heißt, die vorhandene bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen solidarisch zu teilen,
- Umverteilung von Einkommen heißt, eine gerechte Lohn-, Steuer-, Finanz-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik zu verwirklichen,
- Umverteilung von Macht schließlich meint die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an allen gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.

(3) Die Arbeit, ein Beruf, somit ein eigenes Einkommen bringen für Frauen ein Mehr an Unabhängigkeit - auch von falschen Rollenerwartungen, die an sie gestellt werden. Erwerbsarbeit bedeutet für Frauen in jeder Lebensphase Entscheidungsfreiheit, Identität und Selbstbestimmung.

(4) Arbeit ist der Schlüssel zur Gleichstellung. Frauen kommen bei der bezahlten Arbeit als der besten Voraussetzung eigenständiger Existenzsicherung, zu kurz, tragen aber den überwiegenden Teil der unbezahlten Arbeit im Haushalt, in der Betreuung der Kinder und in der Pflege von Angehörigen. Ziel unserer Politik ist es, Frauen zu ermöglichen, ihre Chancen im Beruf aktiv zu ergreifen, sowie diese falsch verteilten Gewichte ins richtige Lot zu bringen. Die Vorbildwirkung jedes Einzelnen in der eigenen Familie und die Erziehung zu gleichberechtigtem Miteinander ist für diese Entwicklung wesentlich.

(5) Die ungleichen Rollenzuschreibungen sind auch Ursache der eklatanten Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Erst die gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie die gleiche Teilnahme von Frauen und Männern an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen wird auch zu einer gerechten Verteilung der Einkommen führen.

(6) Frauen wissen um ihre Fähigkeiten, sehen ihre Möglichkeiten. Aber die Gesellschaft, wie wir sie jetzt kennen, läßt vielfach noch immer nicht zu, daß sie Rechte und Chancen, die ihnen zustehen, auch ergreifen. Uns geht es darum, diese "gläserne Decke" zu durchbrechen und den Weg frei zu machen für alle Frauen.

(7) Frauenförderung - im Sinne einer aktiven Gleichstellungspolitik - bedeutet daher für uns, klare, gesetzlich verankerte Bedingungen zu schaffen, die es Frauen ermöglichen, ihre Qualifizierung zu verstärken sowie ihre Qualifikationen in berufliche Tätigkeit und beruflichen Aufstieg umzusetzen. Uns geht es darum, den Frauen Bildungs- und Berufswege mit Zukunftschancen zu eröffnen und Rollenklischees zu überwinden. Frauen und Männer sollten alle Berufe, entsprechend ihren Neigungen und Interessen, wählen können.

(8) Aktive Gleichstellungspolitik bedeutet für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch, daß Frauen bei Personalentscheidungen bei gleicher Qualifikation bevorzugt behandelt werden, solange gesellschaftliche Ungleichheit existiert. In diesem Sinne bekennen wir uns zur positiven Diskriminierung, also zu einer gerechten Bevorzugung von Frauen bei Personalentscheidungen im öffentlichen Bereich und zur Koppelung von Auftragsvergabe und Förderungen aus der öffentlichen Hand an Maßnahmen zur Frauenförderung im privatwirtschaftlichen Bereich.

(9) Das setzt - für beide Geschlechter - die Vereinbarkeit von Beruf und Familie voraus. Kinderbetreuungseinrichtungen, die den Bedürfnissen sowohl der Kinder als auch der Eltern gerecht werden, sind dafür notwendig. Arbeitszeitmodelle, die es für beide Elternteile möglich machen, sich für eine bestimmte Zeit aus dem Berufsleben zurückziehen, damit sie sich zu gleichen Teilen der Erziehung und Betreuung der Kinder widmen können, sind zu schaffen.

(10) Unterschiedliche Lebensbedingungen von Frauen führen zu ungleichen Chancen, die Diskriminierung setzt sich auch im Alter oft noch verschärft fort. Ein gerechtes System der Alterssicherung kann sich also nicht nur an den durchschnittlichen Lebensläufen von Männern orientieren. Wir treten daher für eine eigenständige Alterssicherung für Frauen ein, die einerseits auf deren Lebensverläufe Rücksicht nimmt und andererseits innerhalb unseres Solidarsystems auf Berufstätigkeit und Beitragsleistungen aufbaut.

(11) Als Ausweg aus einer Zwangslage muß Frauen in ganz Österreich die Möglichkeit offenstehen, eine ungeplante oder unerwünschte Schwangerschaft innerhalb einer medizinisch vertretbaren Frist sowie unter bestmöglicher medizinischer, psychologischer und sozialer Betreuung abzubrechen. Wir treten allen Tendenzen entgegen, die dieses Recht einschränken oder in Frage stellen und verurteilen reaktionäre Gruppierungen, die Frauen in einer Zwangslage zur Zielscheibe ihrer Agitation machen.

(12) Im Sinne einer Partnerschaft der Geschlechter bekennen wir uns zur Ächtung jedweder Gewalt gegen Frauen. Wir fordern wirksame Maßnahmen zum Schutz der Frauen vor Gewalt in der Familie, vor sexueller Belästigung oder vor verharmlosender bzw. verherrlichender Darstellung solcher Formen von Gewalt und Verachtung in den Medien.

(13) Auch auf internationaler Ebene wollen wir den Kampf für das Recht der Frauen auf ein Leben in Würde und auf Gleichstellung führen. Jede Form der Unterdrückung, Diskriminierung und Ausbeutung lehnen wir ab. Wir unterstützen aktiv die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Frauenhandels in all seinen Formen, wie sexuelle Ausbeutung, Heiratshandel oder Ausbeutung von Migrantinnen in Arbeitsverhältnissen, in denen sie wie Sklavinnen behandelt werden.

(14) Die im Rahmen der Gleichstellung der Geschlechter angestrebten Ziele unterscheiden sich nach dem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Umfeld. So können im Kampf um Geschlechterdemokratie unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden. Grundvoraussetzung für eine Partnerschaft der Geschlechter ist aber immer das Recht auf Selbstbestimmung, auf freie Wahl der Lebensform ebenso wie das Recht auf Arbeit, auf soziale Absicherung und auf ein Leben in Würde. Es geht - im Lichte der heutigen Gegebenheiten - um eine Umverteilung der Rechte in Richtung der Frauen und um eine Umverteilung der Pflichten in Richtung der Männer.