Politische Perspektiven:
III.4. Hohe Lebensqualität in einer humanen Umwelt

(1) Wir tragen sowohl der Umwelt als auch den nachfolgenden Generationen gegenüber Verantwortung. Um unsere Umwelt lebenswert zu erhalten, dürfen wir nicht mehr an Ressourcen verbrauchen als wir ersetzen oder wieder erneuern können, müssen wir den Schadstoffausstoß auf ein erträgliches Maß zurückführen und Risiken, die nicht wieder gut zu machende Schäden für die Umwelt auslösen können, vermeiden. Eine in diesem Sinne verstandene ökologische Nachhaltigkeit ist eine Leitlinie unseres politischen und wirtschaftlichen Handelns.

(2) Nachhaltigkeitsstrategien müssen jedoch stets auf soziale Gerechtigkeit und Verteilungsfragen Rücksicht nehmen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten steht fest, daß es hohe Lebensqualität nicht ohne hohe Umweltqualität gibt - für alle Menschen, und nicht nur für einige wenige.

(3) Zentrale umweltpolitische Zielsetzungen sind die Reduktion der Schadstoff- und Lärmbelastung sowie die gezielte Förderung des öffentlichen Verkehrs und umweltverträglichen Güterverkehrs.

(4) Wir treten für ein Verkehrssystem ein, das am Wohl der Menschen, den Entwicklungsmöglichkeiten der Wirtschaft und der geographischen Lage Österreichs in der Mitte Europas orientiert ist. Wir unterstützen mit Nachdruck die Schaffung transeuropäischer Schienennetze unter Einbindung des österreichischen Verkehrsnetzes. Wir treten für ein Finanzierungssystem ein, das Transportbedürfnisse umwelt- und anrainergerecht erfüllen hilft und damit den unfairen finanziellen Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsträgern überwinden hilft.

(5) Eine zukunftsorientierte internationale Verkehrspolitik muß sich an der Kostenwahrheit im Verkehr und der Anwendung des Verursacherprinzips orientieren. Dem Bedürfnis der Menschen nach einer sauberen Umwelt und nach sicheren und zuverlässigen Verkehrsmitteln ist durch eine bessere Balance zwischen den einzelnen Verkehrsarten durch spezielle Maßnahmen für den Personenverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr und den Güterverkehr nachzukommen.

(6) Mit der Verbesserung der Mobilität, der Forcierung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs, der Schiffahrt und des nichtmotorisierten Verkehrs, der frühest möglichen Nutzung des jeweiligen Standes der Technik zur Vermeidung von Negativwirkungen des Verkehrs und durch bewußtseinsbildende Maßnahmen kann dieses Ziel erreicht werden. Wir fordern eine nationale und internationale Verkehrsplanung, die mit der Energiewirtschaft und der Raumplanung abzustimmen ist. Regionale Verkehrskonzepte müssen die Bedürfnisse der Menschen besser und kundennäher erfassen.

(7) Nachhaltig Wirtschaften ist für uns auch Leitbild für die Landwirtschaft. Bäuerinnen und Bauern erbringen wichtige Leistungen für die Gesellschaft, besonders in benachteiligten Gebieten und in den Bergregionen. Die finanzielle Förderung der Landwirtschaft wollen wir verstärkt nach sozialen und ökologischen Kriterien gestalten. Wir wollen eine Land- und Forstwirtschaft, die möglichst schadstoffrei produziert. Grundwasser, Boden und Luft müssen geschützt, Beeinträchtigungen durch wirkungsvolle Maßnahmen beseitigt werden. Dem Verursacherprinzip ist dabei Rechnung zu tragen. Natur- und Tierschutz sind Teil unserer solidarischen Gesellschaftskonzeption.

(8) Wir treten für die Bevorzugung umweltfreundlicher Formen der Energiegewinnung ein und wollen jedenfalls auf Nukleartechnologie verzichten. Den Ausstieg aus der Atomkraft wollen wir auch auf internationaler Ebene vorantreiben.

(9) Die Erhaltung und Schonung natürlicher Ressourcen und die erhebliche Reduktion der Umweltbelastung durch Schadstoffe und Abfälle soll unter anderem durch eine umfassende Ökologisierung des Steuersystems (Ressourcenbesteuerung bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit), durch eine ökologische Modernisierung des Industriesystems, die auch die Herstellung langlebiger, reparierbarer und wiederverwertbarer Produkte forciert, und durch strenge Haftungsregeln und Schutzbestimmungen erreicht werden.

(10) Umweltprobleme sind immer seltener ausschließlich auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen, internationale Zusammenarbeit ist notwendig - nicht nur im Sinne einer gemeinsamen europäischen Strategie, sondern auch auf globaler Ebene. Umweltbelastung darf im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung nicht in weniger entwickelte Länder exportiert werden. Um diese Länder in ihrer Verantwortung für den globalen Umweltschutz zu unterstützen, sind entsprechende Technologietransfers und Umweltinvestitionen vordringliche Aufgaben der Industriestaaten.

(11) Der Sicherung gleicher Lebenschancen dient ein umfassendes Gesundheitssystem. Es muß der Vielfalt der Anforderungen entsprechen, insbesondere im Bedarfsfall rasche und leicht zugängliche Betreuung für alle gewährleisten und eine regional ausgewogene und hochwertige Versorgung sicherstellen. Zur Weiterentwicklung eines hochwertigen Gesundheitswesens gehört auch die besondere Berücksichtigung von frauenspezifischen Gesundheitsproblemen. Insbesondere sind Maßnahmen zu entwickeln, die den gesundheitsschädlichen Folgen der Doppel- und Dreifachbelastung der Frauen Rechnung tragen.

(12) Weil Gesundheit und Krankheit nicht allein genetisch gesteuert, sondern vor allem auch Ergebnis von Lebensumständen und sozialen Bedingungen sind, ist es umso wichtiger, Gesundheitsvorsorge und Krankheitsbehandlung nach sozialmedizinischen und ganzheitlichen Gesichtspunkten auszurichten.

(13) Das Gesundheitswesen ist für die Patientinnen und Patienten da - und nicht umgekehrt. Es ist daher stets aufs Neue dem sich ändernden Bedarf der Menschen anzupassen. Seine Leistungen müssen auch in Zukunft allgemein zugänglich sein. Für eine "Zwei-Klassen-Medizin" ist in einem sozialen Gesundheitswesen kein Platz.

(14) Gesundheit hat ihren Preis, aber Gesundheit um jeden Preis ist weder heute noch in Zukunft finanzierbar. Daher sind gleichermaßen Planungsinstrumente, die eine bedarfsorientierte Vorsorge sichern, wie Qualitätssicherung und der Ausbau der Medizinethik in der Berufsausbildung und im praktischen Alltag notwendig.

(15) In Zukunft wird eine noch engere berufs- und fachübergreifende Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe unter Einbeziehung bewährter komplementärer Methoden erforderlich sein. Auch deshalb treten wir für die universitäre Verankerung der Pflegewissenschaft ein.

(16) Gesundheitsförderung und Krankheitsbehandlung greifen immer mehr ineinander. Schon heute sind Gesundheitsförderung und Präventivmedizin aus einem modernen Gesundheitswesen nicht wegzudenken. Wir treten für regionale Gesundheitsförderungsprogramme auf einer möglichst breiten gesellschaftlichen Basis ein, die zwischen dem, was der bzw. die Einzelne für ihre oder seine Gesundheit tun kann, und dem, was gemeinschaftlich getan werden muß, klar unterscheiden. Zu wirksamer Gesundheitsvorsorge gehört es, von den möglichen gesundheitsschädigenden Folgen des Konsums von Alkohol, Nikotin oder Drogen zu überzeugen. Gesundheitsvorsorge kennt keine Altersgrenzen.

(17) Umfassende Prävention schließt den Schutz der Gesundheit in der Arbeitswelt ein, insbesondere mittels Maßnahmen zur Unfallverhinderung sowie durch verstärkte arbeitsmedizinische und betriebsärztliche Versorgung und Vorsorge. Wir setzen uns für Arbeitsbedingungen ein, die körperliche oder psychische Schäden so weit wie möglich ausschließen.

(18) Wir setzen uns für einen wirksamen Konsumentenschutz ein, der die Verbraucherrechte auf dem Produkt- und Dienstleistungssektor sicherstellt. Ein solcher Schutz beschränkt sich nicht auf die Abwehr unlauterer Praktiken, sondern muß faire Beziehungen zwischen Konsumentinnen und Konsumenten einerseits und Unternehmerinnen und Unternehmern andererseits gewährleisten.

(19) Die Instrumente der Konsumentenpolitik sind vielschichtiger geworden: Die Förderung von Wettbewerb und Transparenz hat besonders in bislang abgeschotteten Marktnischen an Bedeutung gewonnen, ebenso wie die umfassende Information der Verbraucherinnen und Verbraucher und ihre frühzeitige Einbindung in für sie wichtige Entwicklungen. Daneben bleiben gesetzliche Regelungen zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten notwendig. Die Durchsetzung ihrer Rechte muß im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren erleichtert werden.

(20) Wir wollen eine Vielzahl von ökologisch verträglichen Freizeitmöglichkeiten fördern, die zu einer aktiven, schöpferischen und gesundheitsfördernden Lebensgestaltung beitragen. Der Tourismus soll auf die Lebensinteressen der ansässigen Bevölkerung und der in diesem Bereich Beschäftigten abgestimmt sein und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, des Schutzes von Natur und Landschaft gestaltet werden.

(21) Sport hat eine hohe Bedeutung für die Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Das Erleben von Gemeinschaft und das Streben nach Leistung mit fairen Mitteln dient dem sozialen Lernen und dem Abbau von Aggression. Deshalb unterstützen wir besonders den Breiten- und Schulsport, wobei der gleiche Zugang zum Sport - für beide Geschlechter sowie für alle sozialen Gruppen - gewährleistet sein muß. Der Spitzensport verdient Förderung, soweit er die Jugend zur sportlichen Betätigung motiviert.