Politische Perspektiven:
III.10. Identität und kritische Öffentlichkeit - Kunst und Medien

(1) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verstehen unter Kultur nicht bloß den engeren Bereich der Kunst, sondern die gesamte Vielfalt an Ausdrucksformen des menschlichen Zusammenlebens und der Auseinandersetzung der Menschen mit ihren Lebensbedingungen. Ziel sozialdemokratischer Kulturpolitik ist es, allen Menschen zu ermöglichen, ihr schöpferisches Potential zu entwickeln und zur Geltung zu bringen, um im Rahmen einer toleranten und solidarischen Gesellschaft die eigenen Lebensbedingungen mitzugestalten.

(2) Sozialdemokratische Kulturpolitik sorgt dafür und schafft die erforderlichen Freiräume, daß Tendenzen gesellschaftlicher Entwicklungen erkannt, gezeigt, benannt und öffentlich diskutiert werden. Sie fördert und unterstützt daher nicht nur Kunst, sondern sämtliche kreativen Milieus. In diesem Sinne sind daher unter anderem auch Bildung, Wissenschaft und Medien Felder der Kulturpolitik,da auch sie wesentlich zum Selbstverständnis einer Gesellschaft und dessen kritischer Reflexion sowie zur Alltagskultur beitragen.

(3) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zum Grundsatz der Freiheit der Kunst und zu künstlerischer Vielfalt. Kunstpolitik hat sich nicht in künstlerisches Schaffen einzumischen, sie soll vielmehr Rahmenbedingungen und Möglichkeiten schaffen, damit sich die Künste frei entfalten können. Sie soll daher Künstlerinnen und Künstler fördern, zu ihrer sozialen Absicherung beitragen sowie Infrastruktur, insbesondere in Form von Ausbildungseinrichtungen und Möglichkeiten der öffentlichen Darstellung, Realisierung und Vermittlung von Kunst, bereitstellen bzw. unterstützen.

(4) In Ergänzung zum etablierten Kunstschaffen sind besonders jene künstlerischen Ausdrucksformen zu fördern, die kulturelle Investitionen in die Zukunft darstellen, wie zum Beispiel der gesellschaftlich wichtige Bereich der Jugendkultur oder innovative Kunstrichtungen, die im Feld der audiovisuellen Medien und der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen.

(5) Die Pflege der künstlerischen Tradition Österreichs darf sich nicht auf die Vermarktung großer künstlerischer Leistungen der Vergangenheit beschränken. Im Spannungsverhältnis mit gegenwärtigen und zukünftigen Kunstströmungen sollen fruchtbare kulturelle Impulse entstehen. Wir wollen eine künstlerische Landschaft, in der das Experimentelle neben dem bereits Akzeptierten Platz findet. Dies gilt auch für die Darstellung österreichischer Kunst im Ausland.

(6) In einer durch Kommunikation und Mobilität der Menschen vernetzten Welt ist die Beschränkung von Kunst und Kultur auf den nationalen Raum überholt. Wir streben die produktive Förderung und Umsetzung eines grenzüberschreitenden künstlerischen und kulturellen Schaffens und Dialogs an. Diese Internationalität fördern wir auch im Bereich der Kulturpolitik. Deshalb unterstützen wir den beständigen Austausch von internationalen Erfahrungen sowie die Koordination von gemeinsamen Programmen, z.B. auf europäischer Ebene.

(7) Innovative oder gesellschaftskritische Kunst ist häufig nicht von vornherein marktfähig. Staatliche Förderung von Kunst kann deshalb durch private Investoren ergänzt, jedoch nicht ersetzt werden. Daher treten wir auch zukünftig für eine ausreichende Dotierung der Kunstbudgets ein. Gefordert ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung zeitgemäßer Vergabemodelle sowie eine konzeptive Arbeitsteilung zwischen öffentlicher Verwaltung und ausgelagerten Einrichtungen wie Stiftungen und Fonds.

(8) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen ein gesellschaftliches Klima fördern, das künstlerischen Pluralismus gewährleistet und kritische Auseinandersetzung ermöglicht. Daher wollen wir den Dialog mit Künstlerinnen und Künstlern und die öffentliche Diskussion über kunstpolitische Fragen führen und fördern sowie für die Auseinandersetzung mit Kunst aktiv werben. Die verfassungsmäßig verankerte Freiheit der Kunst verteidigen wir vorbehaltlos gegen ihre Gegner.

(9) Sozialdemokratische Kulturpolitik arbeitet für einen breitestmöglichen Zugang zur Vielfalt des künstlerischen Lebens. Sie setzt sich für den Abbau von Barrieren ein, die sich z.B. durch Preisgestaltung, regionale Gegebenheiten oder Bildungsdefizite ergeben können. Kulturelle Vielfalt muß über Ballungsräume und eine kaufkräftige Bildungselite hinausreichen.

(10) Im Verbund mit Schulen, Museen, Bibliotheken und Medien kommt der Kunstvermittlung ein besonderer Stellenwert zu, um ein reiches kulturelles Leben zu schaffen. Wir fördern zeitgemäße Formen und Strategien, um Interesse zu wecken und die kreative und gegenwartsbezogene Auseinandersetzung mit Kunst zu stimulieren.

(11) Öffentlichkeit ist Grundbedingung für eine funktionierende Demokratie. Wir sind daher für eine breite Medienvielfalt, gegen Medienkonzentration, die diese gefährdet, sowie für die Förderung wirtschaftlich schwächerer Medien durch die öffentliche Hand nach den Kriterien Vielfalt und Qualität. Der Pluralismus an Meinungen ist nur durch umfassende Pressefreiheit und Unabhängigkeit der in den Medien Tätigen (innere Pressefreiheit) gewährleistet.

(12) Im Bereich der elektronischen Medien wird es aufgrund der neuen Technologien zu besonders großen Veränderungen kommen, neben traditionellen elektronischen Medien wie Radio und Fernsehen werden vor allem die neuen Informationstechnologien zu einem neuen Medienangebot, aber auch zu einer veränderten Mediennutzung führen.

(13) In diesem Bereich (Rundfunk, TV, Neue Medien) treten wir für ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen, nichtkommerziell privaten und kommerziellen Programmanbietern ein. Dabei erwarten wir vom öffentlichen Rundfunk und Fernsehen ein Programm, das in besonders umfassender Weise Informations-, Bildungs- und Kulturangebote sowie regionale Berichterstattung enthält. Um dies leisten zu können, muß der Bestand öffentlicher Rundfunk- und Multimediaanbieter durch eine Neugestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der wirtschaftlichen Basis langfristig abgesichert werden.

(14) Zur Sicherung der Programmqualität gehört die Förderung der Herstellung und des Vertriebs von Produktionen, die den kulturellen Standards und den Forderungen nach geistiger Vielfalt und umfassender sachlicher Information entsprechen. Interaktive Angebote, die Mediennutzung über den passiven Konsum hinaus ermöglichen, verdienen besondere Unterstützung.

(15) Wir wollen die Medienkompetenz in unserer Gesellschaft unter anderem durch entsprechende Bildungsangebote fördern. Auf dieser Basis muß es auch zur Neudefinition der Verantwortung zwischen Medienproduzentinnen und -produzenten einerseits und -konsumentinnen und -konsumenten andererseits kommen. Es müssen in manchen Bereichen neue Formen der Selbstbeschränkung wirksam werden, es ist aber auch durch öffentliche Kontrolle - unter Einbeziehung relevanter Vertretungen der Konsumentinnen und Konsumenten - sicherzustellen, daß z.B. die Verherrlichung und Verniedlichung von Gewalt, die Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen und die Ausbeutung von Schutzbedürftigen in allen Medienprogramminhalten wirksam unterbunden werden können. Klare Regeln müssen hinsichtlich der Informationsaufgabe und Ausgewogenheit sowie des Schutzes der Persönlichkeitssphäre von Bürgerinnen und Bürgern gelten.